Nackte Brüste im TV: „Tutti Frutti“ – Vor 30 Jahren ein Skandal, heute völlig normal
Köln –
Deutschland im Januar 1990: Chin-chin!
Mit der Spielshow „Tutti Frutti“ und nackten Brüsten schrieb RTL vor 30 Jahren Fernsehgeschichte. Heute geht es in der Fernsehwelt jedoch oft viel freizügiger zu.
Damals war RTL erst sechs Jahre alt und Deutschland befand sich in der spannenden Phase zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung. Viele DDR-Bürger genossen damals die neue Freiheit und fanden auch den Erotik- und Porno-Markt des Westens spannend.
RTL – damals noch RTL plus – traf mit der ersten sogenannten Striptease-Show Deutschlands in gewisser Weise den Zeitgeist. Und der Beiname „Tittensender“ entstand…
Vor ziemlich genau 30 Jahren lief die Spielshow „Tutti Frutti“ erstmals im Fernsehen. Moderator der Busen-Show war Hugo Egon Balder, damals 39 Jahre alt.
„Tutti Frutti“-Kandidaten konnten in Spielen erreichen, dass sich die jungen Frauen des sogenannten Cin-Cin-Balletts auszogen. Auf ihren Brustwarzen klebten frivole Früchtchen wie Kirschen, Erdbeeren und Zitronen. Und irgendwie ging es auch um sogenannte Länderpunkte. Bei falschen Antworten zogen sich auch die Kandidaten bis auf die Unterwäsche aus.
„Tutti Frutti“ (nach dem italienischen Vorbild „Colpo Grosso“) gehört heute sicherlich zu den (Schmuddel-)Klassikern des deutschen TV. Die knapp 100 Folgen zwischen 1990 und 1992 gingen ins kollektive Gedächtnis ein. Kaum jemand denkt aber vermutlich noch an den Versuch der Wiederauflage Ende 2016 mit Jörg Draeger bei RTL Nitro.
Vor drei Jahrzehnten regte die Show mit den Brüsten viele auf. Oftmals diejenigen, die eh kein RTL guckten oder vorgaben, es nicht zu tun.
In den 1970ern hatten schon die nackten Brüste von Ingrid Steeger im Comedyformat „Klimbim“ für großes Aufsehen gesorgt, in den 1980ern die barbusige Corinna Drews in der Schickeria-Persiflage „Kir Royal“.
Heute geht es in zahlreichen Formaten viel expliziter zu und in gewisser Weise auch gleichberechtigter. Denn die Serien und Shows der 1970er, 1980er und 1990er bedienten vor allem die Vorstellungen heterosexueller Männer, degradierten junge Frauen zu Lustobjekten.
Immer mehr Nachfolgeshows im TV
In heutigen Nacktshows wie dem Realityformat „Adam sucht Eva“, das nach fünf Staffeln bei RTL in diesem Jahr bei RTL2 weitergehen soll, sind auch nackte Männer zu sehen.
Die Körper der Kerle werden darin genau so gezeigt und beurteilt wie die der Frauen.
Die Kuppelshow „Adam sucht Eva – Gestrandet im Paradies“ hatte ihre deutsche Premiere im Sommer 2014. Kandidaten lernen sich darin nackt auf einer Insel in der Sonne kennen. Im Sommer 2016 lief sogar eine Promi-Ausgabe, in der unter anderem Skandal-Richter Ronald Schill, ehemals zweiter Bürgermeister und Innensenator von Hamburg, blank zog.
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Als zweite sogenannte Nackt-Dating-Show startete im Mai 2017 „Naked Attraction – Dating hautnah“ bei RTL2. Darin suchen Kandidaten ihren möglichen Traumpartner per Körper-Beurteilung aus.
„No Body is perfect“ setzt neue Maßstäbe
Freizügig geht es auch in Dating-Reality-Shows wie „Temptation Island“ oder „Paradise Hotel“ zu. Und sicher auch wieder bei „Big Brother“, das ab 10. Februar 2019 bei Sat.1 „mit totaler Überwachung“ zurückkommt, wie es heißt.
Als neue Dimension des öffentlichen Ausziehens kann das seit 13. Januar 2019 laufende Sat.1-Nacktexperiment „No Body is perfect“ gelten. In dieser Show soll es nämlich darum gehen, den gesellschaftlichen Druck zu nehmen und durch Nacktheit ein positives Gefühl zum eigenen unperfekten Körper zu entwickeln.
Die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher sagt einordnend über Nacktheit im deutschen Fernsehen: „Aus meiner Sicht war ‚Tutti Frutti‘ damals eine gezielte Provokation von RTL, um mehr Aufmerksamkeit für das eigene Programmangebot zu erzielen. Mittlerweile sind wir bei ‚Naked Attraction‘ da angelangt, wo das Dating allein auf der Präsentation primärer Geschlechtsorgane basiert.“
Klar ist: Die Zeiten haben sich mehr als nur gewandelt. Aus dem einstigen Tabu-Bruch sei im deutschen TV Programmrealität geworden. „Im Vergleich zum US-Fernsehen, aber auch zu sozialen Medien wie Facebook oder Instagram erweist sich das deutsche Fernsehen als deutlich weniger prüde.“
Selbst Promis seien etwa im Dschungelcamp manchmal als Teil der Aufmerksamkeitsökonomie nackt zu sehen.