„Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit?“: Comedian führt „Querdenker“ bei Demo vor
Der Initiator der „Querdenker“-Demonstration, Michael Ballweg.
Foto: dpa
Stuttgart –
Kabarettist Florian Schroeder (40) ist am Sonnabend bei der Anti-Corona-Demo der sogenannten „Querdenker“ aufgetreten, nachdem er vom Veranstalter eingeladen worden war. Womit die Demonstranten aber nicht gerechnet hatten: Schroeder kam nicht, weil er ihre Meinung teilt, sondern um den Ansichten der Versammelten entschieden zu widersprechen und so „die Grenzen ihrer Meinungsfreiheit“ auszutesten. Ein Video des Auftritts lud er danach auf Social Media hoch, wo es über Nacht zum Hit geworden ist.
„Mein Name ist Schroeder, ich komme aus dem Mainstream“: Mit diesen Worten betrat der 40-Jährige am Sonnabend die Bühne in Stuttgart. Zunächst ahnten die Demonstranten noch nicht, was folgen würde, der Redner wurde mit freundlichem Applaus begrüßt. Auch die Worte „Man hat mir gesagt, hier in Stuttgart ist die Freiheit“ quittierten die Zuhörer mit Klatschen.
Kabarettist Florian Schroeder bietet „Querdenkern“ Paroli
Doch dann enthüllte der Kabarettist das wahre Anliegen seines Auftritts: den Demonstranten ordentlich Paroli zu bieten. Ob wir „in einer Corona-Diktatur“ leben würden, wollte der 40-Jährige von der Menge wissen. Nach einem vielstimmigen „Ja“ argumentierte der Kabarettist dagegen: „Wenn wir irgendeine Form von Diktatur hätten, dann dürftet ihr euch hier gar nicht versammeln, dann dürftet ihr hier gar nicht stehen.“
Auch auf die Frage: „Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit?“ war von den Zuhörern ein lautes „Ja“ zu hören. Darauf Schroeder: „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefährliche, ansteckende Krankheit ist, und ich bin der Überzeugung, dass Maskentragen und Abstandhalten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können.“
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Das war schließlich zu viel für die Versammelten: Mit lauten Buhrufen und Pfiffen schnitten sie dem Redner das Wort ab. Der schloss mit dem Satz: „Wenn ihr für Meinungsfreiheit seid, müsst ihr meine Meinung aushalten.“
Video des Auftritts wird über Nacht zum Netz-Hit
Ein Video des Auftritts lud der Kabarettist im Anschluss an die Veranstaltung auf YouTube hoch und teilte es auf seinem Twitter-Kanal. Sonntagnachmittag hat der Post bereits weit über 10.000 Likes, an die 4000 Kommentare finden sich darunter. Die überwiegende Mehrheit feiert Schroeder für die Aktion. „Hochachtung! Dazu gehört viel Mut!“, schreibt zum Beispiel eine Nutzerin, ein weiterer kommentiert: „Tolle Aktion! So geht Demokratie.“
Vereinzelt finden sich auch kritische Nachfragen oder Ergänzungen unter dem Post, so schreibt zum Beispiel ein Nutzer: „Guter und mutiger Auftritt. Aber ich würde widersprechen, dass Meinungsfreiheit bedeutet, dass die Zuhörer Ihre Meinung ohne zu Buhen anhören müssen. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man keinen Widerspruch erhält.“ Eine andere fragt: „Ist es auch Freiheit, seine sterbende Oma nicht sehen zu dürfen?“
Verfassungsschutz: „einige Rechtsextremisten“ unter den Demonstranten
Die Teilnehmer der Veranstaltung „Querdenken 711“ forderten ein Ende der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen, mit denen die Gefahr einer Übertragung des Coronavirus reduziert werden soll. Die Veranstalter sprachen von 5000 Teilnehmern, die Polizei zählte mehrere Hundert. Die Zusammenarbeit mit den Versammlungsleitern sei gut gewesen, so die Beamten, der vorgeschriebene Mindestabstand sei meist eingehalten worden.
Eine Analyse der Reden auf den „Querdenker“-Protesten zeige derweil, dass dort „alle Verschwörungstheorien dieser Welt“ vertreten seien, sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang der „Süddeutschen Zeitung“. „Es gibt die Pandemieleugner und diejenigen, die meinen, die Regierung wolle durch den Lockdown über eine ohnehin vorhandene Rezession hinwegtäuschen. Oder, dass die Regierung nur einen Vorwand brauchte, um Repressionen einzuführen“, so Haldenwang.
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Vielfach gebe es auch antisemitische Untertöne. Die Gefahr einer Instrumentalisierung durch Extremisten sieht Haldenwang aber nicht. Zwar würden bei den Demonstrationen in verschiedenen Städten auch „einige Rechtsextremisten“ mitmischen. „Sie haben sich natürlich inszeniert und sich vor die Kameras gestellt. So entsteht aber ein falsches Bild.“ (dpa/afp/skö)