Amoklauf in Heidelberg: Suchte der mutmaßliche Täter gezielt seine Opfer?
Nach dem Amoklauf am Montag an der Uni Heidelberg herrschen in der Stadt und weit darüber hinaus Trauer und Entsetzen, viele Fragen sind noch offen. Eine Ermittlungsgruppe soll schnell herausfinden, was den Attentäter trieb – und vor allem, wie er an die Waffen kam, mit denen er im Hörsaal das Feuer eröffnete.
Zahlreiche Trauernde haben vor dem Gewächshaus, einem Gebäude der Heidelberger Uni, Kerzen und Blumen niedergelegt, viele von ihnen sind Student:innen, die immer noch nicht begreifen können, was hier am Montag im Hörsaal passierte.
Die Ermittler gehen nach bisherigen Erkenntnissen davon aus, dass der 18-jährige Biologie-Student zur Mittagszeit erst im Hörsaal des Zentrums für biologische Grundlagenforschung, in dem rund 30 Student:innen anwesend waren, mehrmals schoss und sich später vor dem Gebäude selbst tötete. Eine 19- und eine 20-jährige Frau sowie ein 20-jähriger Mann wurden durch die Schüsse leicht verletzt.
Eine 23-jährige Studentin starb am Montagnachmittag an den Folgen eines Kopfschusses. Dem zuständigen Mannheimer Polizeipräsidenten Siegfried Kollmar zufolge hätte der Amokläufer noch ein weit größeres Blutbad anrichten können. Der mit einer Doppelflinte und einer Repetierwaffe bewaffnete Student habe in einem Rucksack noch über 100 Schuss Munition bei sich gehabt.
Amoklauf in Heidelberger Uni: Motiv noch unklar
Warum der 18-Jährige die Tat nach drei Schüssen unterbrach, ist ebenso unklar wie das genaue Motiv. Die Polizei prüft nun, ob es sich womöglich sogar um eine gezielte Attacke handelte. Der 18-Jährige hatte kurz vor der Tat eine Whatsapp-Nachricht an seinen Vater geschickt – und schrieb, nach Polizeiangaben, „dass Leute jetzt bestraft werden müssen.“ Durch Vernehmungen von Verwandten, Freunden und Bekannten solle nun geklärt werden, ob eine mögliche Verbindung zu den Opfern bestand. Der allein in Mannheim lebende Amokläufer sei als Student der organischen Biologie ein Kommilitone der Studierenden dort gewesen. „Der Hörsaal, da hätte er eigentlich als Student drin sitzen müssen“, sagte Kollmar.
Mutmaßlicher Täter besorgte sich Waffen wohl im Ausland
Der Tatverdächtige ist der Polizei zufolge Deutscher und fiel zuvor nicht polizeilich auf. Kollmar sagte, es sei „sehr außergewöhnlich, dass man von dem Täter im Vorfeld so wenig hat“. Bekannt sei nur, dass „lange zurückliegend“ eine psychische Erkrankung vorgelegen habe. Die Waffen habe sich der 18-Jährige, der weder einen Waffenschein noch eine Waffenbesitzkarte hatte, erst vor wenigen Tagen persönlich im Ausland beschafft. Es liege ein Kaufbeleg vor. Nähere Einzelheiten wollten die Ermittler aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen, gegen den Verkäufer der Waffen laufen aber nun Ermittlungen.
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Mit der Aufklärung des Falls ist nun eine Ermittlungseinheit namens „Botanik“ mit 32 Mitarbeiter:innenn befasst, gab der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) gestern bekannt. Er sei sich sicher, dass es gelingen werde, rasch Licht ins Dunkel zu bringen. Der Name ist darauf zurückzuführen, dass das betroffene Uni-Gebäude an den botanischen Garten grenzt.
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Vor allem für die direkt von der Tat Betroffenen wird es noch ein langer Weg sein, diesen Tag zu verarbeiten. „Die Studenten im Hörsaal haben Todesangst ausgestanden, sie wussten ja nicht, wie lange der Täter noch schießt“, sagte Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er empfiehlt psychologische Betreuung und fügte hinzu: „Das werden sie ihr Leben lang nicht vergessen“. (alp/dpa/afp)