Biontech-Chef optimistisch: Corona-Impfstoff für Kinder könnte schon in Kürze kommen
Berlin/Mainz –
Schluss mit Homeschooling und geschlossenen Kitas? Können Kinder schon bald zurück in die Normalität kehren? Biontech-Chef Uğur Şahin prescht beim Thema Kinderimpfung voran – und zeigt sich sehr optimistisch. Er sagt: Schon im Juni könnten die ersten Kinder geimpft werden. Bundesgesundheitsminister Spahn hält das für nicht unrealistisch.
In einem Interview mit dem „Spiegel“ erklärt Şahin, dass es jetzt „sehr schnell gehen kann“ mit dem Vakzin für Kinder. Bisher war für die Jüngeren in der Bevölkerung noch kein Impfstoff zugelassen. Aber „die bisherigen Beobachtungen zur Verträglichkeit wie auch zur Wirksamkeit sind ermutigend“, so der Biontech-Chef.
Biontech-Chefs fürchteten Virus-Mutanten bei Kindern
Im Januar hofften die Forscher des Mainzer Unternehmens, bis zum Frühjahr 2022 Vakzine für alle Altersklassen genehmigt zu bekommen – eine sportliche Planung, wenn man bedenkt, dass Impfstoffe normalerweise erst nach jahrelanger Entwicklung freigegeben werden.
Doch Şahin und seiner Frau, der Biontech-Chefwissenschaftlerin Özlem Türeci, war Frühjahr kommenden Jahres immer noch zu spät. Ihre Sorge: die deutlich aggressiveren Virus-Mutanten. Şahin gab bereits im Januar zu bedenken: Wenn bis Sommer eine Mehrheit der Erwachsenen geimpft wäre und eine gewisse Herdenimmunität für eine starke Virus-Eindämmung sorgen würde, bliebe immer noch das Problem mit den Kindern. Was ist, wenn sie in Schulen und Kindergärten einem mutierten und womöglich gefährlicheren Virus weiter ungeschützt ausgesetzt wären?
Biontech-Vakzine für Kinder: Zulassung soll beantragt werden
Die Biontech-Gründer machten den Impfstoff für Kinder deshalb zu ihrer Priorität. Mit Erfolg: Schon am kommenden Mittwoch soll bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine Zulassung der Biontech-Vakzine für Kinder ab zwölf Jahren beantragt werden. Eine Zulassung für alle Altersklassen wird im September angestrebt. Eine Prüfung dauert normalerweise wenige Wochen, ab Anfang Juni könnten die ersten Schulkinder geimpft werden.
„Wir haben die Studiendaten für die 12- bis 15-Jährigen in den USA für die bedingte Zulassung eingereicht, in Europa sind wir in den letzten Zügen vor der Einreichung“, sagt Şahin dem „Spiegel“. Heißt: Schon in wenigen Wochen könnten die ersten Kinder immunisiert werden.
Uğur Şahin: Impfstoff ist bisher zu 100 Prozent wirksam
Und auch in den jüngeren Altersklassen sieht es gut aus: Die zweite klinische Studie mit knapp 4600 jüngeren Kindern ist bereits weit fortgeschritten. Geimpft wird nach absteigendem Alter, inzwischen sind die Forscher bei der jüngsten Altersklasse angelangt: Kinder ab sechs Monaten. „Im Juli könnten erste Ergebnisse für die Fünf- bis Zwölfjährigen, im September für die jüngeren Kinder vorliegen, die Auswertung dauert etwa vier bis sechs Wochen“, sagt Şahin. „Wenn alles gut geht, können wir, sobald die Daten ausgewertet sind, in verschiedenen Ländern den Antrag auf Zulassung des Impfstoffs für alle Kinder der jeweiligen Altersgruppe einreichen.“
Der Biontech-Chef ist zuversichtlich: Nach den bereits vorliegenden Studiendaten war der Impfstoff bei älteren Kindern ab zwölf Jahren zu 100 Prozent wirksam und gut verträglich. Bislang gab es keine Hinweise auf Nebenwirkungen. Allerdings würden sich sehr seltene unerwünschte Wirkungen erst nach der Markteinführung zeigen, wenn Hunderttausende oder Millionen geimpft worden sind.
Spahn befürwortet schnelle Immunisierung von Kindern
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält die Überlegungen von Biontech für realistisch: Er stellte Corona-Impfungen für über 12-Jährige schon im Sommer in Aussicht. „Stand heute, wenn nichts Ungewöhnliches passiert: Spätestens in den Sommerferien werden wir die über 12-Jährigen dann impfen können, wenn die Zulassung da ist“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin. Zwar sei zunächst natürlich abzuwarten, dass die entsprechende Zulassung auch komme, sagte Spahn. Er rechne aber zügig damit.
Gleichzeitig warnte der Minister vor zu hohen Erwartungen für den Juni – spätestens dann soll der Bundesregierung zufolge die Impfpriorisierung enden. „Wir müssen jetzt ein bisschen aufpassen mit diesem Juni, dass der nicht so überfrachtet wird mit Erwartungen“, forderte Spahn. Im Juni käme zwar wohl so viel Impfstoff wie in keinem Monat zuvor, aber „nicht so viel, dass wir alle zwischen zwölf und 60 mal eben im Juni impfen können“. Es sei wichtig, dass nicht der Eindruck entstehe, dass sofort alle Jugendlichen geimpft werden könnten.
Kinder leiden besonders unter Corona-Pandemie
Die Auswirkungen einer schnellen Immunisierung von Kindern wären weitreichend: Schulen und Kindergärten könnten schneller als geplant wieder öffnen – was wohl extrem wichtig wäre: Mehrere Studien deuteten bereits darauf hin, dass viele Kinder deutlich länger unter den psychischen Langzeitfolgen von Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen etc. leiden werden, als Erwachsene.
Viele Kinder und Jugendliche sind durch die Pandemie in der Schule meilenweit zurückgeworfen oder sogar ganz abgehängt worden. Vor allem Kinder aus armen und bildungsschwachen Haushalten sind hier betroffen. Und nicht zu vergessen: Schon kleine Kinder sind zum Teil sehr schwer an Covid-19 erkrankt.
Biontech würde die Kinderdosierung ab Spätsommer separat produzieren. Ob das dann auf Kosten der ursprünglich geplanten Erwachsenen-Lieferungen ginge oder ein zusätzliches Kontingent möglich wäre, ist noch offen.
Das hier könnte Sie auch interessieren: Eltern in großer Sorge: Long-Covid: Corona-Spätsymptome auch bei Kindern
Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin merkt im „Spiegel“ an: „Nur wenn auch Kinder und Jugendliche mit einer für die Altersgruppe zugelassenen Vakzine geimpft werden, kann man die Pandemie zum Stillstand bringen.“ (alp)