Dramatische Corona-Notlage: Wo Ärzte Impfstoff wegschütten
Lehrer verbrennen Masken, Impfgegner stürmen Einkaufszentren, Ärzte spritzen Corona-Vakzine lieber in Waschbecken, als in die Arme ihrer Patienten: Bulgariens Regierung kämpft verbissen gegen das Coronavirus, erhält im Land jedoch kaum Unterstützung. Die Regierung in Sofia bittet nun andere Staaten um Hilfe.
Bulgarien (6,9 Millionen Einwohner) hat die niedrigste Impfquote in der EU. Nur gut 24 Prozent der Erwachsenen haben hier die doppelte Impfdosis erhalten. Die Pandemie hat das Land fest im Griff: Täglich werden neue Höchststände bei den Infektionszahlen gemessen, die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei rund 415, jeder zwölfte Test ist positiv und in manchen Krankenhäusern werden neben Corona-Patienten nur noch ausgewählte Menschen behandelt – zu ihnen gehören Krebspatienten, psychiatrische Fälle und werdende Mütter. Die „SZ“ berichtete zuerst.
Corona in Bulgarien: Lehrer verbrennen Masken
Bulgarien wird derzeit von einer Expertenregierung geführt, da sich selbst nach zwei Anläufen im April und Juli keine Koalition zusammenfand. Die Regierung bemüht sich, der Pandemie Herr zu werden – und scheitert an den überzeugten Impfgegnern des Landes. Bulgarische Medien berichten über Lehrer, die während des Unterrichts demonstrativ ihre Masken verbrennen. Über Masken- und Impfgegner, die nach dem Erlass von Zugangsbeschränkungen Einkaufszentren stürmen. Und von extrem vielen gefälschten Impfausweisen und Abgeordneten, die auf ihren Webseiten zur „Revolte“ gegen das „Impfregime“ aufrufen.
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Trotz des harten Gegenwinds hat der Gesundheitsminister wegen der dramatischen Corona-Lage Ende Oktober den „grünen Pass“ eingeführt. Nur wer diesen vorzeigen kann, darf Restaurants, Einkaufszentren, Schulen und Universitäten betreten. Doch die Parteien des Landes sind in Wahlkampfstimmung: Anstatt zusammen gegen das Virus zu kämpfen, drohen einige dem Minister mit dem Gang zum höchsten Gericht wegen „diskriminatorischer und illegaler“ Vorgaben – und fordern seinen Rücktritt. Warum? Sie hoffen auf die vielen Stimmen der Impfgegner.
Regierung investiert in Schutzmaßnahmen
Tatenlosigkeit kann man der bulgarischen Regierung nicht vorwerfen. Sie hat Millionen für Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie in Schulen und Hochschulen ausgegeben und Geld für Corona-Medikamente bewilligt. Mit EU-Mitteln wurden mobile Röntgengeräte, Laborzubehör und Beatmungsgeräte angeschafft. Ein vollständiger Lockdown als Maßnahme gegen die Virus-Ausbreitung wurde jedoch aufgrund des Wahlkampfes und der miserablen Stimmung im Land immer wieder aufgeschoben.
Das größte Problem: Die weitverbreitete Impfskepsis und generelle Ablehnung der Vakzine. 90 Prozent der Corona-Patienten auf den Intensivstationen sind nicht geimpft, doch selbst diese Zahl könnte noch zu niedrig sein. Der Ex-Direktor des Nationalen Zentrums für Infektions- und Parasitenkrankheiten, Todor Kantardschiew, forderte im bulgarischen Fernsehen, auch die Krankenhauspatienten zu überprüfen, die ein Impfzertifikat vorlegen – denn diese seien oft gefälscht.
Ärzte stellen Impfzertifikate ohne Impfung aus
Bulgaren berichten von Ärzten, die den Impfstoff in ihren Praxen ins Waschbecken spritzen und nicht dem Patienten verabreichen. Gegen Geld stellen sie dennoch Zertifikate aus. In der Hauptstadt Sofia steigt laut Medienberichten die Impfquote zwar etwas und Teile der Bevölkerung halten sich an die Corona-Maßnahmen. Doch viele Eltern und Lehrer protestieren auch dort gegen Corona-Tests bei Kindern in den Schulen und schimpfen, dass Impfungen die Pandemie nicht stoppen würden. Auf dem Land sei die Situation noch schlimmer, schreibt eine Studentin auf Facebook: „Hier trägt niemand eine Maske und fast niemand ist geimpft. Den Leuten ist es egal, oder sie halten das Vakzin für Teufelszeug“.
Angesichts der Corona-Notlage hat die Regierung in Sofia andere EU-Staaten nun um Hilfe gebeten. Bulgarien habe den EU-Katastrophenschutz aktiviert, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Es würden dringend medizinische Ausrüstung wie Sauerstoffmasken oder Intensivbetten gebraucht.