Wie gefährlich ist das Coronavirus?: Experte erklärt Vergleich mit Spanischer Grippe
Bielefeld –
Mütter in Köln, die mit ihren Kindern auf der Straße schreiend weglaufen, wenn sie Chinesen begegnen. Foren in sozialen Netzwerken, in denen apokalyptische Szenen in Wuhan als gesichert gelten. Privatdozent Dr. Wilfried Witte gibt ein weiteres Beispiel: „Gestern kam der Pizzabote zu uns in die Charité und fragte, ob wir bestätigen können, dass das mörderische Virus auch in Berlin zugeschlagen habe.“
Die Angst vieler nach den Meldungen der weltweit zunehmenden Fälle von Infektionen durch das neue Virus – ist sie berechtigt?
Nach Meinung des Top-Experten Wilfried Witte, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie am Bethel-Klinikum in Bielefeld und Gastwissenschaftler der Charité in Berlin, nicht!
Grippe-Experte zu Corona: „Es gibt kein Killer-Virus“
„Im Moment gibt es keine akute Bedrohung. Es gibt offenkundig kein sogenanntes Killervirus. Und damit aktuell keine große Gefahr für den Einzelnen. Aber das »könnte« ist der Punkt. Denn niemand kann heute abschließend sagen, wie sich das Virus bei problematischen Umgebungsfaktoren noch wandeln könnte. Wir müssen mit dem Risiko umgehen, so wie wir uns auch ins Auto setzen und zur Arbeit fahren, ohne in jeder Sekunde Angst zu haben, an der nächsten Kreuzung den Tod zu finden. Die Risiko-Kommunikation durch zuständige Stellen und durch die Medien ist wichtig. Die Maßnahmen der chinesischen Regierung sind radikal, erscheinen aber im Wesentlichen als angemessen, um die Ausbreitung des Virus möglichst zu unterbinden.“
Energisch verwehrt sich der Fachmann gegen Vergleiche mit der Spanischen Grippe, die vor rund 100 Jahren weltweit wütete und ca. 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Zu den Todesopfern gehörten auch der berühmte Maler Egon Schiele, seiner Frau und deren ungeborenes Kind.
Experte: Vergleich von Coronavirus mit Spanischer Grippe hinkt
Wilfried Witte, der sich intensiv mit dieser Katastrophe befasst und dazu geforscht hat: „Die Spanische Grippe verlief in Deutschland in drei Wellen, wovon die schlimmste die zweite im Herbst 1918 war. Sicher haben die Bedingungen des Ersten Weltkriegs, speziell die Umgebungsfaktoren – etwa der Tierbestand an der Front und der Gaskrieg – eine entscheidende Rolle für Ihre Veränderung und Ausbreitung gespielt. Wie sich das neue Corona-Virus heute in Kriegsgebieten wie Libyen zu einem gefährlichen Virus entwickeln könnte, ist aber spekulativ. Sicher ist es gut, wenn es nicht dorthin und zu anderen Krisengebieten gelangt.“
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Seiner Meinung nach ist Panikmache völlig unangebracht. „Wenn bei Ihnen in Köln im Nachbarhaus zwei Fälle von Coronavirus-Infektionen bekannt würden, dann werden Sie dort nun natürlich nicht eigens einen Hausbesuch machen. Aber es wäre auch lächerlich, wenn Sie sich mit Dosennahrung für einen Monat eindecken und in den eigenen vier Wänden verschanzen würden. Nimmt man nur die Meldungen, kommt ein übertriebener Eindruck auf. Es wäre gut, wenn nicht nur vermeldet werden würde, dass die WHO einen Notstand ausgerufen hat. Sondern auch, dass das nicht bedeutet, dass das Virus gerade Massen von Menschen nach dem Leben trachtet. Noch gilt: In diesem Winter werden bei uns wesentlich mehr Menschen an der saisonalen Grippe sterben als am Coronavirus. Das passiert aber jedes Jahr und ist nichts Neues.“