Der Countdown läuft: So erbittert ist der Kampf um Lützerath
Das Ende ist beschlossen, schon seit 2005. Lützerath wird plattgemacht, für die Braunkohle. Doch die einstige Siedlung, ein paar Häuser nur, wird unerbittlich von Aktivisten verteidigt: „Lützi bleibt“. Mehr als 200 von ihnen haben sich in verlassenen Gebäuden und Baumhäusern verschanzt. Jetzt läuft der Countdown, die Räumung steht unmittelbar bevor. Der Widerstand ist erbittert und hartnäckig – darauf sind beide Seiten vorbereitet. Weil Lützerath längst ein Symbol ist.
Juristisch ist die Sache klar: Am Donnerstag lehnte das Verwaltungsgericht Aachen den Eilantrag einer Klimaaktivistin gegen die Räumung ab. Ein Polizeieinsatz am Rande des Braunkohlegebiets Garzweiler II ist damit ab 10. Januar offiziell rechtmäßig, die Besetzung von Lützerath ist laut Gericht „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.“
Die Gefahr sehen die Klimakämpfer ganz woanders: „Hier, an dieser Braunkohlegrube, das ist die größte CO₂-Quelle Europas, da wird Klimakrise gemacht, und deswegen müssen wir sie hier an diesem Ort stoppen“, sagte Aktivistin Mara Sauer zur „Tagesschau“. Schon seit 15 Monaten lebt sie in einem Baumhaus in dem einstigen Weiler in der Nähe von Mönchengladbach. Sie und ihre Mitkämpferinnen sind vorbereitet für den Widerstand.
Klimaschützerin Louisa Neubauer in Lützerath
Sie haben Barrikaden gebaut, trainiert und Gräben geschaufelt, um Bagger und Polizei aufzuhalten. Es gab auch „Aktionstrainings“: „Wir üben, wie wir die Räumung und den Abriss von Lützerath mit verschiedenen Methoden blockieren können“, hieß es in der Ankündigung der Aktivisten.
Der Widerstand ist ungebrochen und hat prominente Unterstützung: Klimaschützerin Luisa Neubauer kommt am Sonntag vorbei, um ihre Solidarität zu bekunden: „Die Zukunft ist erneuerbar“, sagte die Hamburgerin zur dpa. „Deshalb rufen wir bundesweit dazu auf, am 8.1. nach Lützerath zu fahren. Die Gesellschaft ist bereit, für eine sichere und nachhaltige Welt einzustehen, das werden wir in Lützerath zeigen. Beim Dorfspaziergang am Sonntag und in den nächsten Wochen.“ Sie fordert: „Die Kohle muss im Boden bleiben.“
Wie heftig der Protest wird, wenn die Räumung durchgezogen wird? Unklar. Behörden rechnen nur wenige der Lützerath-Aktivisten dem harten radikalen Kern zu, die Mehrheit wird als eher bürgerlich eingeschätzt. Eine Eskalation wie 2018 im Hambacher Forst wurde bisher eher nicht erwartet. Im Laufe der Woche gab es allerdings kritische Situationen zwischen Aktivisten und Polizei, es flogen auch schon Steine, zwei Menschen wurden leicht verletzt.
RWE-Chef appelliert an die Klimaaktivistinnen
Und was sagt RWE? Markus Krebber, der Chef des Energiekonzerns, hat im Podcast der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ für Friedfertigkeit geworben : „Mein Appell ist, dass der Protest, der absolut legitim ist, ohne Gewalt abläuft und keine Menschenleben gefährdet werden“, sagte der Manager. Er verteidigt das Ende der symbolträchtigen Siedlung nahe Erkelenz: „Wir sollten Lützerath nicht in den gleichen Topf werfen mit den Dörfern, in denen noch Menschen wohnen. Wir haben in Lützerath eine Einigung mit allen Eigentümern. Gerichtlich ist das bis zum Ende entschieden.“
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Das stimmt. Trotzdem: Die Aktivisten glauben an den Erhalt der leeren Siedlung am Rande des riesigen Kohle-Kraters: „Ich denke, in Lützerath verdichtet sich der Protest gegen eine mutlose und viel zu unambitionierte Klimapolitik wie nirgendwo sonst“, sagte Christoph Bautz von der Kampagnenorganisation Campact. Lützerath, das ist für ihn und seine Mitstreiterinnen „der neue Hotspot der Klimabewegung“.