Samih Hasan Schukri Salim (2.v.l), Außenminister von Ägypten, und Luiz Inacio Lula da Silva, gewählter Präsident von Brasilien, kommen beim UN-Klimagipfel COP27 zu einer Konferenz.
  • Samih Hasan Schukri Salim (2.v.l), Außenminister von Ägypten, und Luiz Inacio Lula da Silva, gewählter Präsident von Brasilien, kommen beim UN-Klimagipfel COP27 zu einer Konferenz.
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Der heimliche Star des UN-Klimagipfels

Auf der Weltklimakonferenz ist es leicht, zwischen dramatischen Appellen, bunten indigenen Trachten und Fachjargon den Überblick zu verlieren. Erst gegen Ende zeigt sich, wo auf dem größten Treffen zur Rettung der Welt die wirklich dicken Bretter gebohrt werden.

Verrammelte Burger-Stände, leere Konferenzräume und dazwischen übernächtigte Politiker, die bis zur letzten Minute ausharren wollen: Ausgerechnet als es um alles geht bei der Weltklimakonferenz im Ägypten, wird der bis dahin wuselige Tagungsort weitgehend zur Geisterstadt. Mit einem Minimum an Infrastruktur verhandeln die Vertreter von knapp 200 Staaten bis zum Sonntagmorgen über die Eindämmung der gefährlichen Erderwärmung und Hilfen für Länder, die von ihren Folgen am härtesten getroffen werden.

Schleppende Konferenzleitung, horrende Preise

Die Mission: runter vom „Highway zur Klima-Hölle“, auf dem die Welt UN-Chef António Guterres zufolge derzeit fährt – mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Den „Highway“ verlässt die Weltgemeinschaft in Scharm El-Scheich nicht, will aber einen Finanztopf für besonders von der Klimakrise betroffene arme Staaten einrichten. Es sind die Ergebnisse einer Konferenz, die schon vorher reichlich Kopfschütteln ausgelöst hat.

Plenarsitzung der COP27 Klimakonferenz. Imago/ Thomas Trutschel
Plenarsitzung der COP27 Klimakonferenz.
Plenarsitzung der COP27 Klimakonferenz.

Zur ägyptischen Präsidentschaft der Konferenz gab es ähnlich viel Kritik wie Sand in der Wüstenstadt Scharm El-Scheich. Es sei das am schlechtesten organisierte UN-Treffen seit Jahren, befanden alte Klimagipfel-Hasen – und das nicht nur wegen zwischenzeitlicher Ebbe in den Wasserspendern, überteuerten Sandwiches für zweistellige Dollarbeträge und einem Abwasser-Leck. Tatsächlich hinkte Konferenzleiter Samih Schukri auch damit hinterher, Texte beschlussreif zu bündeln und rechtzeitig vorzulegen.

Gastgeber Ägypten: Dunkler Schatten

Ohnehin war das mit eiserner Hand regierte Ägypten, dessen Menschenrechtssituation Kritiker als haarsträubend bezeichnen, das erwartet schwierige Gastgeberland. Der Fall des inhaftierten Demokratieaktivisten Alaa Abdel Fattah, einer Führungsfigur der Revolution von 2011, warf einen dunklen Schatten über das Treffen. Er drohte, im Hunger- und Durststreik in seiner Zelle zu sterben. Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und andere baten Präsident Abdel Fattah al-Sisi vergeblich um seine Freilassung.

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Auf dem UN-Gelände selbst filmten und fotografierten Dutzende mutmaßliche Sicherheitsleute, die sich teils als Technik-Helfer oder freiberufliche Journalisten ausgaben, Aktivisten und Demos. Ein regierungsnaher Abgeordneter störte eine Pressekonferenz mit Abdel Fattahs Schwester, ehe UN-Sicherheitsleute ihn schließlich aus dem Saal eskortierten. Auch die deutsche Delegation beschwerte sich, an ihrem Pavillon beobachtet und gefilmt zu werden.

Weltklimagipfel: Geopolitische Machtspielchen

Bremsen die USA beim Geld? Schafft es China sich in der Logik der Klimakonferenz weiter als Entwicklungsland einordnen zu lassen, was aus Sicht des Westens längst überholt ist? Wo fast alle Staaten der Welt um einen Tisch sitzen, sind geopolitische Machtspiele nicht weit. Eddy Perez vom Climate Action Network, das etliche Klimaschutzorganisationen vereint, wirft den großen Playern vor, ihre Kämpfe auf dem Rücken kleiner Staaten auszutragen.

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin von Deutschland, spricht nach der Abschlusszeremonie vom UN-Klimagipfel COP27 bei einer Pressekonferenz. dpa
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin von Deutschland, spricht nach der Abschlusszeremonie vom UN-Klimagipfel COP27 bei einer Pressekonferenz.
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin von Deutschland, spricht nach der Abschlusszeremonie vom UN-Klimagipfel COP27 bei einer Pressekonferenz.

Bei allen verhärteten Fronten dann doch überraschend: Der Ukraine-Krieg blockierte anders als befürchtet weniger die Verhandlungen, die russische Seite blieb weitgehend still.

Ein heimlicher Star

Während mehr als 100 Staats- und Regierungschefs über den Klimaschutz verhandelten, wurde ein noch gar nicht vereidigter Spitzenpolitiker zum heimlichen Star: Bei Terminen des gewählten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva drängelten sich Fans und Schaulustige, Indigene mit Federschmuck stimmten Lula-Gesänge an und machten Stimmung.

Luiz Inacio Lula da Silva (M), Präsident von Brasilien, steht beim UN-Klimagipfel COP27 auf einer Bühne im brasilianischen Pavillon mit indigenen Frauen aus dem Amazonasgebiet. dpa
Luiz Inacio Lula da Silva (M), Präsident von Brasilien, steht beim UN-Klimagipfel COP27 auf einer Bühne im brasilianischen Pavillon mit indigenen Frauen aus dem Amazonasgebiet.
Luiz Inacio Lula da Silva (M), Präsident von Brasilien, steht beim UN-Klimagipfel COP27 auf einer Bühne im brasilianischen Pavillon mit indigenen Frauen aus dem Amazonasgebiet.

Seine erste offizielle internationale Rede seit seiner Wahl im Oktober wurde zur Lula-Party. Er versprach, den Schutz des Amazonasgebiets in seiner Regierungsarbeit ganz oben auf die Agenda zu setzen. Unter Noch-Präsident Jair Bolsonaro waren Abholzung und Brände der für das Weltklima wichtigen Waldregion stark angestiegen. Randnotiz: Lula flog im Privatjet eines millionenschweren Unternehmers zur COP27.

Aktivisten aus Afrika zeigen Präsenz

Für viel Kritik sorgte europäische Investitionen in fossile Projekte in Afrika. „Afrika darf nicht die Tankstelle Europas werden“, so die Botschaft der Aktivisten, die bei einem Protest zur Halbzeit der Konferenz zu den auffälligsten Demonstranten zählten.

Teilnehmer einer Demonstration auf dem UN-Klimagipfel COP27 halten Plakate und setzen sich für das 1,5-Grad-Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ein. dpa
Teilnehmer einer Demonstration auf dem UN-Klimagipfel COP27 halten Plakate und setzen sich für das 1,5-Grad-Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ein.
Teilnehmer einer Demonstration auf dem UN-Klimagipfel COP27 halten Plakate und setzen sich für das 1,5-Grad-Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ein.

Protest richtete sich auch gegen die Ankündigung von Kanzler Scholz (SPD) bei einer Senegal-Reise, die Erschließung eines Gasfeldes vor der Küste des Landes zu unterstützen. „Man kann nicht Menschen in einem Land retten und dabei Probleme für Menschen in einem anderen Land verursachen“, warnte der Gründer von Fridays for Future im Senegal, Yero Sarr. Die prominente ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate warnte mit Blick auf fossile Projekte auf ihrem Kontinent: „Kinder können keine Kohle essen, Kinder können kein Öl trinken, Kinder können kein Gas atmen.“

Hunderte Öl- und Gaslobbyisten – und Coca-Cola als Sponsor

Tabakfirmen auf einem Gesundheitskongress? Oder Waffenhändler auf einem Friedenstreffen? Ähnlich undenkbar sollten Öl- und Gaslobbyisten auf Klimakonferenzen sein, meinten die Aktivisten von Urgewald und NGO-Partner. Mindestens 636 solcher Branchenvertreter waren nach einer Zählung der Aktivisten in Scharm el Scheich unterwegs, deutlich mehr als im Vorjahr in Glasgow. Ein Verhandler quittierte das mit verbalem Schulterzucken: Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Interessen sei nun mal politisches Geschäft.

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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nennt es „besorgniserregend“, dass wieder einmal die Rolle der Unternehmen auf den Klimakonferenzen in Frage gestellt worden sei. „Unternehmen sind wichtiger Teil der Lösung. Es ist zentral, dass sich die Wirtschaft am internationalen Klimaprozess mit Blick auf Minderung, Anpassung und Klimafinanzierung aktiv beteiligen darf.“

Nach dem offiziellen Ende des UN-Klimagipfel COP27 stehen leere Kühlschränke auf dem Gelände. dpa
Nach dem offiziellen Ende des UN-Klimagipfel COP27 stehen leere Kühlschränke auf dem Gelände.
Nach dem offiziellen Ende des UN-Klimagipfels COP27 stehen leere Kühlschränke auf dem Gelände.

Weiterer Aufreger, nicht nur für Gesundheitsorganisationen: Coca-Cola war ein Hauptsponsor – was nichts daran änderte, dass auch die Getränkekühlschränke des Konzerns am Ende gähnend leer waren.

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