Dramatische Corona-Lage in EU-Land: „Unser Gesundheitssystem existiert nicht mehr“
Die Kliniken überfüllt, das Personal überarbeitet: Auch Kroatien wird derzeit von einer heftigen Corona-Welle überrollt. Die Zustände sind mancherorts katastrophal, wie Experten nun mit drastischen Worten signalisieren.
„Unser Gesundheitssystem existiert nicht mehr.“ Der Hilferuf von Kroatiens Verband der Krankenhausärzte (HUBOL) ist dramatisch. In einer Stellungnahme vom Sonntag, aus der mehrere Medien zitieren, finden die Mediziner deutliche Worte: „Das System existiert nicht, wenn man Beziehungen braucht, um eher an ein Bett zu gelangen, das mit Sauerstoff versorgt wird“.
Nicht einmal die Hälfte der Menschen in Kroatien ist bislang gegen Corona geimpft
Kroatien kämpft derzeit gegen die vermutlich schlimmste Corona-Welle, die das Land je erwischt hat. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag gestern bei 613 – höher war sie nur im Dezember 2020 mit 621. Immer mehr Infizierte müssen ins Krankenhaus – derzeit sind es nach Angaben der Zeitung „Vecernji” knapp 1500, gut 180 von ihnen mussten an eine Beamtungsmaschine angeschlossen werden.
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Das Problem: Erst 44 Prozent der gut 4,4 Millionen Kroatinnen und Kroaten hat vollen Impfschutz. „Wirklich: 90 Prozent sind ungeimpft“, sagte Ivo Ivić, Leiter der Infektionsklinik am Uniklinikum in Split zur Zeitung „Slobodna Dalmacija“ über seine Covid-Patienten. Sein Kollege Božidar Duplančić vom Klinischen Krankenhauszentrum Split ergänzte: „Selbst Ärzte, Professoren, auch Uniprofessoren sind nicht geimpft. Warum? Darauf gibt es einfach keine sinnvolle Antwort.“ Viele Beatmungsgeräte seiner Klinik seien bereits besetzt, „ich weiß nicht, was passiert, wenn es so weitergeht“.
Schuld an der Misere sind aber wohl nicht nur Ungeimpfte. Wie HUBOL schreibt, sei auch die Regierung zu kritisieren. „Während Patienten mit Covid-19 stundenlang im Krankenhaus warten, weil keine Plätze frei sind“, würden oberste Regierungsbeamte das Thema „auf der Ebene überheblicher narzisstischer Jugendlicher“ behandeln.
Hausärzte sollen Ungeimpfte anrufen
Die angespannte Lage hat nun allerdings Wirkung gezeigt: Gesundheitsminister Vili Beroš ordnete jüngst an, dass alle Hausärzte ihre Patienten über 65 Jahre, die nicht geimpft sind, telefonisch kontaktieren müssen. Die Präsidentin des Hausärzteverbands KoHOM, Nataša Ban Toskić, sprach im Sender N1 von einem „Kriegsbefehl“: „Wir müssen jede einzelne Patientenakte öffnen, auf das Alter schauen, überprüfen, ob er oder sie geimpft ist, eine Liste erstellen, anrufen, ein nettes Gespräch führen, Empathie zeigen, Verständnis zeigen, Erklärungen geben, das alles dauert etwa zehn Minuten“, beklagte sie.
„Und was ist, wenn jemand anderer Meinung ist, gehen wir dann zu ihm oder ihr nach Hause und fordern ihn oder sie auf, sich impfen zu lassen? Wie lange werden wir brauchen, um all diese Leute zu besuchen? Und was werden die Patienten, die krank sind und uns bräuchten, in dieser Zeit tun?“, so Ban Toskić weiter.
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Mittlerweile wird öffentlich über strengere Corona-Maßnahmen gesprochen. Innenminister Davor Božinovič stritt jedoch kürzlich ab, dass es dazu offizielle politische Pläne gebe. „Die wichtigste Maßnahme, um die weitere Ausbreitung des Virus zu stoppen oder zu verhindern, ist ein totaler Lockdown“, so Božinovič. „Aber niemand hier denkt über diesen Schritt nach.“