Blumen und Kerzen liegen an der Gedenkstätte für Malte C. auf den Stufen des historischen Rathauses in Münster.
  • Blumen und Kerzen liegen an der Gedenkstätte für Malte C. auf den Stufen des historischen Rathauses in Münster.
  • Foto: picture alliance/dpa | Bernd Thissen

Erschütternde Tat: Transmann bei CSD getötet – Verdächtiger ist vorbestraft

Auf dem CSD in Münster, einem Straßenfest für Toleranz und Akzeptanz, hat ein aggressiver Angreifer einen Transmann zu Boden geschlagen – weil dieser zwei lesbische Frauen beschützen wollte. Nach und nach werden immer mehr Details zu dem Fall bekannt, unter anderem dieses: Der Verdächtige (20) ist vorbestraft, und zwar wegen Körperverletzung!

Einem Bericht der „Bild“ zufolge soll der Mann in der Vergangenheit mindestens eine nationale Jugend-Boxmeisterschaft gewonnen haben. Er soll russischer Staatsbürger sein und, wie es in dem Bericht weiter heißt, eigentlich nach Russland abgeschoben werden. Wegen des Krieges sei die Abschiebung zunächst jedoch ausgesetzt worden. Oberstaatsanwalt Dirk Ollech von der Staatsanwaltschaft Münster wollte den Bericht nicht bestätigen. Die Nationalität des Mannes sei den Ermittlern bekannt, werde aber nicht genannt. Es sei kein Zusammenhang zu sehen zwischen der Nationalität und der mutmaßlichen Tat.

Bei dem Opfer handele es sich um einen Transmann, teilte die Staatsanwaltschaft Münster am Sonntag mit. „Wir ordnen den Fall nach Stand der Ermittlungen als queerfeindliche Gewalttat ein“, so Ollech.

Der Verdächtige war erst einige Tage nach der Tat gefasst worden. Er kam wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in U-Haft. Der 20-Jährige ist bereits wegen Körperverletzung vorbestraft und sei in der Vergangenheit wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte verurteilt worden, so Ollech. Der Haftrichter habe Wiederholungsgefahr gesehen, auch das sei Grund für die U-Haft.

Seit dem Wochenende werden die Stufen zum historischen Rathaus in Münster von Dutzenden brennenden Kerzen beleuchtet, Blumen und Transparente schmücken die Absätze. Dazwischen Plakate und Tafeln: „In Gedenken an Malte C. – dein Mut wird für immer unvergessen sein“ oder „Gerechtigkeit für Malte“ ist darauf zu lesen. Malte C. wurde vor gut einer Woche beim Christopher-Street-Day in Münster niedergeschlagen, als er Zivilcourage zeigte und Frauen zu Hilfe eilte.

Tödlicher Angriff auf CSD in Münster: „Wir ordnen den Fall als queerfeindliche Gewalttat ein“

Der Angreifer soll zuvor mehrere Teilnehmerinnen des CSD unter anderem mit den Worten „lesbische Hure“ beschimpft und bedroht haben. Als Malte C. ihn bat, die Beleidigungen zu unterlassen, schlug der Mann unvermittelt mindestens einmal mit der Faust zu. Der 25-Jährige fiel um, prallte mit dem Kopf auf dem Asphalt auf und starb nach künstlichem Koma am Freitag im Krankenhaus. Seine Leiche soll am Montag obduziert werden.

Der Fall zeigt, dass Mitglieder der LGBTIQ*-Community in Deutschland selbst auf ihren eigenen Veranstaltungen Hass und Gewalt ausgesetzt sind. LGBTIQ* oder auf deutsch LSBTIQ* sind Akronyme und werden als Bezeichnung für Menschen mit sexueller Orientierung abseits der Heterosexualität verwendet.

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Soziale Medien tragen dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Gewalt umschlagen

Nach Einschätzung des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) werden Ablehnung und Hass gegenüber der LGBTIQ*-Community durch soziale Medien verstärkt. Schon seit vielen Jahren gebe es in der Gesellschaft solche menschenfeindlichen Einstellungen, die durch die „Echokammern“ im Internet noch angeheizt würden, kritisierte René Mertens vom LSVD am Samstag im WDR-„Morgenecho“. Soziale Medien tragen dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Gewalt umschlagen, beklagte er.

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Er betonte auch, die Gewalt gegen Malte C. sei „wirklich eine queerfeindliche Gewalttat“ gewesen. Es sei wichtig, dass die Polizei das auch so benenne. Bei CSD-Veranstaltungen in Berlin, Jena oder Bielefeld sei es ebenfalls zu Anfeindungen gekommen – Menschen seien attackiert, Regenbogenfahnen zerrissen worden. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) schrieb am Samstag auf Instagram: „Das ist die traurige Folge von zunehmender Queerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft, die viel zu oft tödlich endet.“

Im Schnitt jeden Tag drei Fälle von queerfeindlicher Gewalt in Deutschland

Dem WDR-Bericht zufolge wurden den Behörden 2021 bundesweit etwa 1000 queerfeindliche Gewalttaten bekannt – im Durchschnitt täglich drei Fälle. Eine hohe Dunkelziffer komme hinzu, weil vieles nicht angezeigt werde. LSVD-Referent Mertens appellierte im „WDR-Morgenecho“: „Wir brauchen die Solidarität der gesamten Gesellschaft.“

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Die Polizeipräsidentin von Münster, Alexandra Dorndorf, unterstrich: „Der schreckliche Vorfall zeigt, wie wichtig es ist, dass wir diese Werte schützen und als Gesellschaft zusammenstehen.“

Der Beschuldigte äußerte sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Ermittelt wird auch gegen einen unbekannten Begleiter, der nach der Tat mit dem 20-Jährigen geflohen sein soll und möglicherweise an den Beleidigungen beteiligt war. (mp/dpa)

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