„Es muss immer mehr sein“ – fünf Tote durch Böller-Irrsinn
Leichtsinn mit Feuerwerk hat in der Silvesternacht in Deutschland mindestens fünf Männer das Leben gekostet. Zahlreiche Menschen erlitten teils schwere Verletzungen. Besonders verheerende Wirkung hatten selbstgebaute Sprengsätze und illegale Kugelbomben. Ein zehnjähriges Kind wurde in Rostock ins Krankenhaus gebracht, weil ein Böller unmittelbar vor seinem Gesicht explodierte.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte dazu den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Fünf Tote durch schwere Böllerexplosionen ist eine schlimme Bilanz für den ersten Tag im neuen Jahr.“ Die vielen Verletzten und Videos in den sozialen Medien zeigten, dass normales Feuerwerk einigen nicht mehr ausreiche. „Es muss immer mehr Sprengkraft, große Explosionen und viel Feuer dabei sein“, so Kopelke.
400 Festnahmen in Berlin
Die Zahl der Attacken auf Feuerwehr und Einsatzkräfte in der Hauptstadt ging im Zuge eines massiven Polizeiaufgebots zwar zurück, es kam dennoch erneut zu schweren Zwischenfällen. Die Berliner Polizei nahm während der Böllerei in der Silvesternacht mindestens 400 Menschen wegen unterschiedlicher Straftaten fest. Das sind ähnlich viele Festnahmen in der Hauptstadt wie im Vorjahr (390).
Nach einer vorläufigen Bilanz seien 37 Polizisten und eine Einsatzkraft der Feuerwehr verletzt worden, teilten Innenverwaltung und Polizei mit. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatten 54 Polizisten Verletzungen erlitten, darunter 34 Beamte der Einsatzhundertschaften und 20 Streifenpolizisten im Rahmen ihres normalen Dienstes.
Randale auch in Leipzig und München
Angriffe auf Polizisten gab es auch in Leipzig: Müll brannte, Barrikaden wurden gebaut, etwa 50 Menschen griffen Einsatzkräfte der Polizei mit Feuerwerk und Flaschen an. Bei den registrierten Straftaten sei es vor allem um gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz gegangen, so die Ermittler.
In München randalierten mehrere Hundert Menschen und griffen laut Polizei Beamte an. Eine Polizeisprecherin sprach von schätzungsweise 200 bis 300 Personen aus dem linken Spektrum auf der Wittelsbacherbrücke.
Die Polizei in Kiel wurde nach eigenen Angaben von einer größeren Menschengruppe attackiert, als die Beamten den Einsatz eines Notarztes absichern wollten. Streifenwagen seien vor dem Notarzt eingetroffen und von etwa 70 bis 80 Menschen angegangen worden. Es sei unter Diensthund- und Pfeffersprayeinsatz gelungen, dem Notarzt die Arbeit zu ermöglichen.
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Am Bonner Hauptbahnhof schossen Jugendliche mit einer Silvesterrakete gezielt auf einen schlafenden Obdachlosen, wie die Polizei mitteilte. Der Mann habe einen Schock erlitten. Die Verdächtigen sollen die Attacke mit einem Handy gefilmt haben.
Unfälle mit selbstgebauten und illegalen Böllern
Gleich zwei tödliche Böllerunglücke gab es in Sachsen: In Oschatz östlich von Leipzig starb ein 45-Jähriger, der eine sogenannte Großfeuerwerksbombe der Kategorie F4 gezündet hatte, wie die Polizei mitteilte. Solches Feuerwerk darf in Deutschland nur mit behördlicher Erlaubnis gekauft werden. Der Mann habe bei der Explosion schwere Kopfverletzungen erlitten und sei im Krankenhaus gestorben. Zudem wurde laut Polizei ein 50-Jähriger in Hartha in der Nähe von Chemnitz tödlich verletzt, als er mit Feuerwerk hantierte.
- picture alliance/dpa | Sebastian Willnow In der Silvesternacht ging es auf den Leipziger Straßen richtig zur Sache.
- picture alliance/dpa | Sven Hoppe Feuerwerk in München: Doch es ging nicht nur schön und friedlich zu.
- picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi In Berlin gab es wegen Böllern zahlreiche Polizeieinsätze.
Bei Paderborn starb ein 24-Jähriger beim Hantieren mit einem Feuerwerkskörper. Der Unfall ereignete sich vor dem Jahreswechsel am Ortsrand von Geseke, sagte eine Polizeisprecherin. Rettungskräfte konnten nur noch den Tod des jungen Mannes feststellen. Die Wucht der Explosion lasse darauf schließen, dass es sich um einen nicht zugelassenen Feuerwerkskörper gehandelt haben dürfte. Die Angehörigen wurden seelsorgerisch betre
Bei einer Explosion starb auch ein 20-Jähriger in Hamburg, in seinem Fall handelte es sich um einen selbstgebauten Böller. Ein Silvesterböller tötete außerdem einen 21-Jährigen im Norden von Brandenburg. Der Mann habe in Kremmen offensichtlich eine Kugelbombe gezündet, aber keine Erlaubnis dafür gehabt, sagte ein Polizeisprecher.
Schäden durch sogenannte Kugelbomben
Durch illegale Feuerwerkskörper – mutmaßlich sogenannte Kugelbomben – entstanden in Berlin große Schäden, und etliche Menschen wurden teils schwer verletzt. Nach Angaben der Feuerwehr wurden im Stadtteil Schöneberg bei einer heftigen Detonation zahlreiche Häuserfassaden schwer beschädigt, Fenster gingen massenhaft zu Bruch.
36 Wohnungen seien nun vorerst unbewohnbar und zwei Menschen in Krankenhäuser gebracht worden, sagte ein Sprecher der Berliner Feuerwehr. Er sprach von einem „Schlachtfeld“, das der wohl nicht zugelassene Sprengkörper hinterlassen habe. Experten gehen von einer Kugelbombe aus, die wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande eigentlich nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen ist.
Ein solcher illegaler Böller explodierte laut Feuerwehr auch im Stadtteil Tegel, hier inmitten einer Menschenmenge. Acht Menschen wurden nach Angaben des Sprechers verletzt, darunter zwei lebensbedrohlich. Unter den beiden Schwerstverletzten sei auch ein Kleinkind.
Junge mit Böller beworfen und schwer verletzt
Ein zehnjähriger Junge wurde in Rostock in der Silvesternacht schwer verletzt, als ein Böller unmittelbar vor seinem Gesicht explodierte. Noch sei unklar, wer den Knaller in die Richtung des Kindes warf, so die Polizei. In Güstrow musste ein 50 Jahre alter Mann wiederbelebt werden. Er erlitt nach Angaben der Polizei schwerste Gesichtsverletzungen, nachdem er einen Böller in ein Rohr geworfen hatte, der dann darin explodierte.
Schwer verletzt wurde ein Mann in der Silvesternacht bei Traunstein beim Zünden einer Feuerwerks-Batterie. Der 39-Jährige hatte die Batterie gezündet und sich nicht weit genug von ihr entfernt, wie die Polizei mitteilte. Teile der Sprengladung trafen demnach sein Gesicht. Der Mann wurde den Angaben zufolge mit schwersten Gesichts- und Augenverletzungen in eine Spezialklinik gebracht.
Allein das Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) meldete am Neujahrsmorgen 15 Bölleropfer. Fünf von ihnen seien durch sogenannte Kugelbomben schwer an Händen, Gesicht und Augen verletzt worden, darunter auch Kinder, teilte die Klinik auf dem Portal X mit. Andere Menschen zogen sich demnach Brandwunden zu oder erlitten einen Hörverlust.
„Viele Eltern mussten in dieser Nacht ihre verletzten Kinder in die Notaufnahme bringen“, sagte der Bundesgeschäftsführer, der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. „Ich bitte alle Eltern, auch heute noch auf ihre Kinder zu achten, denn oft verletzen sich Kinder am Neujahrstag an den Augen, weil sich in den Überresten der vergangenen Nacht Bildgänger verstecken.“
Falscher Umgang mit Feuerwerk zerstört Einfamilienhaus
Zudem gab es etliche Brände mit teils hohem Schaden. Häuser, Garagen, Schuppen, Autos und Müllcontainer standen in Flammen. Ein Einfamilienhaus in Leuterod im Westerwald brannte in der Silvesternacht komplett aus, wie die Polizei mitteilte. Es werde vermutet, dass falscher Umgang mit Feuerwerkskörpern das Feuer ausgelöst habe. Den Schaden schätzt die Polizei auf rund 350.000 Euro.
Mutmaßlich eine Silvesterrakete setzte im rheinland-pfälzischen Neuwied eine Lagerhalle in Brand, in der unter anderem Holz gelagert worden war. Durch die starke Hitze seien auch angrenzende Häuser beschädigt worden.
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Ein ganz anderes Problem hatten viele Berliner: Ausgerechnet am Silvesterabend fiel in Teilen der Stadt wegen eines Rohrbruchs im Stadtteil Wedding die Wasserversorgung aus. Kurz vor Mitternacht gaben die Wasserbetriebe aber Entwarnung. (dpa)