Bei einer Messerattacke auf dem Stadtfest von Solingen wurden drei Menschen getötet und acht zum Teil schwer verletzt. Der Täter ist auch am Morgen nach dem Angriff noch auf der Flucht.
  • Bei einer Messerattacke auf dem Stadtfest von Solingen wurden drei Menschen getötet und acht zum Teil schwer verletzt. Der Täter ist auch am Morgen nach dem Angriff noch auf der Flucht.
  • Foto: picture alliance/dpa | Christoph Reichwein

Polizei: Videos zeigen gezielte Stiche in den Hals der Opfer von Solingen

Auf einem „Festival der Vielfalt“ in Solingen sticht ein Unbekannter gezielt Menschen in den Hals, tötet zwei Männer und eine Frau und kann dann fliehen. Eine Täterbeschreibung wollen die Ermittler noch nicht veröffentlichen: Es gebe zwar Aussagen von rund 30 Augenzeugen und auch Videomaterial der Bluttat, die Beschreibungen seien aber teilweise widersprüchlich, so die Erklärung auf einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag. Ein Teenager (15) sei festgenommen worden, der laut Zeuginnen mit dem Täter über die Tat gesprochen haben soll.

Fragen nach einer Täterbeschreibung blockten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft auf der Pressekonferenz in Wuppertal ab. Es gebe zwar Videomaterial, das Zeugen von der Tat gefertigt haben und das gezielte Stiche gegen den Hals der Opfer zeigen soll. Und auch mehr als 30 Augenzeugen, die den Messerstecher beschrieben haben.

Mann soll den Angreifer verfolgt haben

Ein Mann soll ihn sogar verfolgt und in eine kurze Auseinandersetzung mit dem Angreifer geraten sein, bevor dieser in der Menschenmenge verschwinden konnte. Die Täterbeschreibungen der Zeugen seien aber teilweise widersprüchlich und müssten erst „zusammengeführt“ werden, bevor sie eine offizielle Beschreibung des Gesuchten herausgäben, so die Ermittler.

Zeugen werden gebeten, Fotos und Videos von der Tat nicht in den Sozialen Medien zu posten, sondern sie auf dem Hinweisportal der Polizei hochzuladen.

Solingen: Täter nach tödlichem Messerangriff weiter flüchtig

Die mutmaßliche Tatwaffe des Messerangriffs von Solingen ist in einem Mülleimer in der Innenstadt gefunden worden. Das verlautete aus Ermittlerkreisen. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet. Gegen einen festgenommenen 15-Jährigen werde wegen „Nichtanzeigens einer Straftat“ ermittelt, teilten die Ermittler auf der Pressekonferenz mit. Zwei Frauen hatte der Polizei berichtet, dass der Jugendliche vor dem Anschlag mit dem mutmaßlichen Täter über dessen Tatplan gesprochen habe. Die Tat selbst haben die Frauen aber nicht beobachtet.

Zu der Pressekonferenz hatten die Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf eingeladen. Außerdem nahmen Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach sowie Wuppertals Polizeipräsident Markus Röhrl teil. Die Polizei teilte mit, dass die Ermittlungen auf Hochtouren liefen. Verschiedene Örtlichkeiten würden durchsucht. Berichte, wonach darunter auch Moscheen seien, wurden von der Polizei nicht bestätigt.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf schließt einen terroristischen Hintergrund nicht aus. Der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers bei der Pressekonferenz: „Eine Motivlage konnten wir bisher auch nicht erkennen, wir gehen aber nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann.“ Ein anderes Motiv sei derzeit nicht ersichtlich. Sollten sich die Hinweise auf eine terroristische Straftat verzichten, komme eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht.

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) äußerte sich via X bestürzt über die Tat:

Bei dem Angriff auf einem Stadtfest waren am Freitagabend drei Menschen getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, fünf davon schwer. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stufte die Tat wegen des zielgerichteten Vorgehens des Täters als Anschlag ein. Politiker verschiedener Parteien reagierten entsetzt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) forderte eine harte Strafe für den Täter.

Faeser will den Tatort zusammen mit Wüst und Reul besuchen

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Um 17 Uhr werden dann Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und Landesinnenminister Herbert Reul (beide CDU) am Tatort in Solingen erwartet.

Nach Angaben der Behörden scheint der Täter wahllos auf Passanten losgegangen zu sein, seine Opfer also zufällig ausgewählt zu haben. Dem NRW-Innenministerium zufolge hat er aber sehr gezielt auf ihre Hälse eingestochen. Über den Zustand der Verletzten ist bislang nichts Neues bekannt. 

Die Polizei ruft die Bürger in Solingen zu Vorsicht auf

Dem Täter gelang es nach Angaben des Innenministeriums aus der Nacht, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen. Die Ermittler gehen von einem Einzeltäter aus. Die Polizei rief die Bevölkerung in Solingen am Samstagmorgen weiter zur Vorsicht auf.

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Bei den Opfern handelt es sich um Besucher des Festes zum 650. Jahrestag der Stadtgründung Solingens, dem „Festival der Vielfalt“. Tatort war der zu diesem Zeitpunkt gut besuchte Fronhof – ein Marktplatz in der Innenstadt, auf dem für das Jubiläumsfest eine Bühne aufgebaut war. Die Tat trug sich unmittelbar vor der Bühne zu.

Laut Polizei schlug der Angreifer gegen 21.40 Uhr zu. Kurz darauf wurde Großalarm ausgelöst. Mindestens ein Hubschrauber war in der Luft, zahlreiche Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Rettungswagen waren unterwegs, Straßen weiträumig abgesperrt. Bewaffnete Beamte sicherten den Einsatzort.

Scholz: Mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen

Kanzler Scholz und andere Spitzenpolitiker zeigten sich erschüttert. Der Kanzler sprach von einem „furchtbaren Verbrechen“. „Wir dürfen so etwas in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren und uns niemals damit abfinden. Mit der ganzen Härte des Gesetzes muss hier vorgegangen werden“, sagte der SPD-Politiker bei einem Termin im brandenburgischen Stahnsdorf.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte nach einem Telefonat mit Solingens Oberbürgermeister: „Der Täter muss zur Rechenschaft gezogen werden. Stehen wir zusammen – gegen Hass und Gewalt.“

Faeser kündigte erst kürzlich Verschärfung des Waffenrechts an

Die Polizei schaltete ein Hinweisportal frei, über das Zeugen des Geschehens Handyfotos und Videos hochladen können (www.nrw.hinweisportal.de). Die Stadt Solingen wiederum richtete für Bürger eine Hotline für Fragen nach Vermissten ein (0212 – 290-2000). Bei der Polizei hätten sich Anfragen besorgter Angehöriger gehäuft, hieß es.

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Innenministerin Faeser hatte angesichts der Zunahme von Messerangriffen erst kürzlich eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. In der Öffentlichkeit sollen Messer demnach nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben. (dpa/mp)

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