Philipp Mickenbecker
  • Philipp Mickenbecker starb im Alter von 23 Jahren an Krebs.
  • Foto: Verleih/hfr

Mit Kamera am Sterbebett von YouTube-Star (†23): „Er bat mich, weiterzudrehen“

Sie bauten U-Boote aus Badewannen oder schlitterten mit Kettensägen unter den Schuhen übers Eis: Philipp Mickenbecker drehte zusammen mit seinem Bruder verrückte Action-Videos und begeisterte auf YouTube als Teil der „Real Life Guys“ Millionen Zuschauer:innen. Im Juni 2021 starb der Social-Media-Star an Lymphdrüsenkrebs. Er wurde nur 23 Jahre alt. Jetzt läuft ein Film in den Kinos, der die letzten Monate des YouTubers zeigt: Der Film „Philipp Mickenbecker – Real Life“ zeichnet ein dichtes Portrait über einen faszinierenden jungen Mann, der die Hoffnung nie aufgab – und ist auch in extrem intimen Momenten dicht dran, auch am Sterbebett wurde gedreht. Die MOPO sprach mit den Regisseuren Lukas Augustin und Alexander Zehrer.

Wie sind Sie auf Philipp Mickenbecker aufmerksam geworden?

Lukas Augustin: Alex hat eine Talkshow gesehen, in der Philipp das erste Mal über seine Krebsdiagnose gesprochen hat. Da hat er erzählt, dass ihm die Ärzte gesagt haben, dass er nur noch zwei Wochen bis zwei Monate zu leben hat. Dieser Auftritt hat uns total berührt, weil Philipp trotz allem so eine wahnsinnige Hoffnung und Zuversicht ausgestrahlt hat.

Und dann haben Sie Kontakt aufgenommen?

Augustin: Genau. Über einen gemeinsamen Freund bin ich an seine persönliche Nummer gekommen. Ich habe ihm eine Videobotschaft geschickt und ihm die Idee vorgestellt, ihn über einen längeren Zeitraum mit der Kamera zu begleiten. Weil seine Geschichte so eine Strahlkraft hat und für andere ermutigend sein kann. Nach einigen Tagen hat er sich gemeldet – und im Februar 2021, vier Monate vor seinem Tod, haben wir angefangen zu drehen.

Wie war die erste Begegnung?

Alexander Zehrer: Wir wurden von Philipp und seinen Freund:innen mit einer großen Herzlichkeit empfangen, das hat uns sehr beeindruckt und berührt. Philipp hatte genau die gleiche Ausstrahlung, die wir schon bei seinem Auftritt im NDR gesehen haben: ein Strahlen in den Augen, ein wahnsinniges Charisma, den Menschen offen zugewandt. Er hatte damals schon eine Wunde durch den Tumor auf der Brust – und hat trotzdem alles gegeben, ein normales Leben zu führen, hat mit einer Freundin eine Tandem-Tour gemacht und solche Dinge. Da dachten wir: Wow, was ist das für ein Typ – der trotz dieser Diagnose einfach weitermacht und sich nicht von seinem Weg abbringen lässt?

Was hat euch am meisten an Philipp Mickenbecker fasziniert?

Zehrer: Sein Umgang mit der Diagnose. Nicht nur in der Anfangszeit, als er noch viel machen konnte. Auch dann, als sich sein körperlicher Zustand verschlechtert hat und er viel Zeit im Bett verbringen musste. Obwohl es ihm immer schwerer fiel, sich zu bewegen, hat er sich diese lebensbejahende Haltung beibehalten und dabei auch noch anderen Mut zugesprochen.

Ihr Film gibt sehr intime, teils auch schockierende Einblicke. Sie sind beispielsweise in der Karibik dabei, als Philipp Mickenbecker während eines Urlaubs mit seinen Freunden feststellt, dass sich in seiner immer größer werdenden Wunde im Brustkorb Maden befinden. Wie sind Sie als Filmemacher so nah rangekommen?

Augustin: Über die Zeit ist eine große Nähe entstanden, weil wir wahnsinnig oft vor Ort Zuhause bei Philipp in Hessen waren und das Leben mit ihm und seiner Familie und seinen Freunden geteilt haben. Dadurch ist natürlich eine ganz starke Nähe und auch ein Vertrauen in uns als Filmemacher entstanden. Als wir mit Philipp und seinen Freunden zwei Wochen in der Karibik waren, haben wir quasi 24 Stunden am Tag miteinander verbracht. Das hat auch für eine Normalität gesorgt, dass es einfach natürlich war, dass wir dabei waren und die Kamera lief. Und dass wir auch in sehr intimen Situationen dabei sein konnten.

Die Regisseure Alexander Zehrer (links) und Jakob Augustin. hfr
Regisseure
Die Regisseure Alexander Zehrer (links) und Jakob Augustin.

Gab es Situationen, in denen Sie die Kamera lieber ausgeschaltet haben?

Augustin: Natürlich, immer wieder gab es Situationen, in denen wir uns gefragt haben: Was können wir zeigen? Was dürfen wir zeigen? Wir haben natürlich auch im Schnitt einiges weggelassen, das war uns auch beim Drehen immer schon klar. Was mir für immer in Erinnerung bleiben wird: Wir haben Philipp auch an seinem Todestag im Krankenhaus begleitet, waren dabei, als ihn seine Freunde besucht haben. Philipp war eingeliefert worden, weil sich Zuhause ein Gefäß in seinem Brustkorb geöffnet hatte – es war klar, dass die Ärzte nichts mehr für ihn tun könnten, wenn das wieder passiert. Als es dann wieder passiert ist, war ich gerade nicht im Krankenzimmer. Als ich dann wieder reinkam, habe ich die Kamera ausgeschaltet, weil ich wusste, dass es jetzt soweit ist und Philipp stirbt. Er hat mich aber darum gebeten, weiterzudrehen. Es war sein Wunsch, dass wir auch das zeigen – weil auch das ein Teil seiner Geschichte ist.

Wie haben Sie es als Filmemacher geschafft, diese sehr emotionalen Dreharbeiten zu verarbeiten?

Augustin: Alex und ich waren meist zu zweit, haben uns nach den Drehs sehr intensiv darüber ausgetauscht, was wir erlebt und gesehen haben. Es gab da natürlich auch ein Spannungsfeld: Auf der einen Seiten sind wir Filmemacher, die eine gewisse journalistische Distanz wahren sollten. Auf der anderen Seite wurden wir aber natürlich durch diese wahnsinnige Nähe auch zu Philipp und dessen Freunden. Dieses Spannungsfeld haben wir auch immer wieder thematisiert.

Philipp Mickenbeckers Glaube an Gott spielt in dem Film eine wichtige Rolle, Sie selbst sagen auch, dass Sie gläubig sind. Wollen Sie mit dem Film missionieren?

Augustin: Nein. Uns war immer wichtig, den Glauben nicht zur Message des Films zu machen, sondern Philipp als Chronisten zu begleiten – und zu seiner Persönlichkeit gehört der Glaube eben dazu. Wir wollen den Zuschauern nicht unsere Meinung aufdrücken und sagen: Ihr müsst jetzt glauben, das ist der einzige Weg. Wir zeigen, wie Philipp sehr vollmundig über seinen Glauben spricht. Aber wir kontrastieren das immer wieder mit Szenen, die auch seine Herausforderung und Abgründe zeigen.

Zehrer: Wir haben uns gezielt in der Postproduktion Leute ins Boot geholt, die nicht mit einer Glaubensbrille auf dem Film schauen. Uns war wichtig, dem Zuschauer die Deutungshoheit zu überlassen, und  Philipps „Real Life“ einfach authentisch zu zeigen. Welche Botschaft vom Film dann hängen bleibt, muss jeder Zuschauer letztendlich für sich selbst entdecken.

Der Film „Philipp Mickenbecker – Real Life“ läuft am Dienstag, 3. Oktober, 11 Uhr in den Zeise-Kinos.

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