• Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny im Käfig während einer Anhörung im Moskauer Stadtgericht.
  • Foto: dpa/Moscow City Court

Gericht spricht Urteil: Kremlkritiker Nawalny muss mehrere Jahre ins Gefängnis

Moskau –

Direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland wurde Alexej Nawalny in Russland festgenommen – zunächst für 30 Tage. Nun musste der Kremlkritiker sich vor Gericht verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben, während er sich in Deutschland von einem Giftanschlag erholte. Ein Moskauer Gericht entschied nun: Nawalny muss dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. 

Der 44-Jährige habe mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen, teilte das Gericht am Dienstag mit. Der Gegner von Präsident Wladimir Putin hatte sich in Berlin und Baden-Württemberg fünf Monate lang von einem Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholt.

In der Zeit in Deutschland, als Nawalny sich von dem Attentat erholte, soll er sich – anders als in dem früheren umstrittenen Strafverfahren vorgeschrieben – nicht bei den russischen Behörden gemeldet haben.

Der Strafvollzug hatte ihn deshalb zur Fahndung ausgeschrieben und angekündigt, eine Umwandlung der Bewährungs- in eine Haftstrafe anzustreben.

Nawalny nahm das Urteil still auf – aber griff Putin erneut an

„Ich war in Deutschland in Behandlung“, hatte Nawalny dazu im Gerichtssaal vor dem Urteil der vom Kreml eingesetzten Richterin Natalia Repnikowa gesagt. 

Nawalny, der das Urteil still aufnahm, hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich deshalb nicht habe in Moskau persönlich melden können. Er nutzte seinen von Medien als „historisch“ bezeichneten emotionalen Auftritt vor Gericht für einen neuen Angriff auf Putin.

Der Präsident werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die Geschichte eingehen, sagte Nawalny. Er erinnerte daran, dass er im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift überlebte.

Hat Putins „Killerkommando“ Nawalnys Unterhose mit Gift benetzt?

Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das „Killerkommando“ soll seine Unterhose mit dem Gift benetzt haben. „Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten“, sagte Nawalny über Putin. Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Präsident Putin und der FSB hatten die Anschlagsvorwürfe zurückgewiesen.

Richterin Repnikowa forderte den Oppositionellen auf, vor Gericht keine Politik zu machen. Nawalny dagegen appellierte an die Menschen, ihre Angst zu überwinden.

Am Gerichtsgebäude agierte ein beispielloses Polizeiaufgebot. Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewachten das Moskauer Stadtgericht und sperrten es weiträumig mit Metallgittern ab, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete.

Nawalny-Prozess: Hunderte Festnahmen

Die Staatsmacht rüstete sich so gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Das unabhängige Portal ovdinfo.org berichtete von mehr als 300 Festnahmen am Dienstag. Am Abend wurde auch das Zentrum in Moskau samt Rotem Platz abgeriegelt.

Zum Prozess kam auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja, die eine schwarze Gesichtsmaske trug. Nawalny stand in einem Glaskasten im Gerichtssaal und sprach mit seiner Frau, wie der Internet-Kanal Doschd berichtete. „Sie haben Dich im Fernsehen in meiner Zelle gezeigt und erzählt, dass Du ständig die öffentliche Ordnung störst. Böses Mädchen! Ich bin stolz auf Dich“, sagte er demnach.

Nawalnys Frau Julia weinte bei der Urteilsverkündung

Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden. Am Montag wurde sie zu 20 000 Rubel (219 Euro) Geldstrafe verurteilt. Bei der Urteilsverkündung weinte die 44-Jährige.

Das Vorgehen der russischen Justiz hatte international Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung forderte mehrfach die Freilassung Nawalnys. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das Verfahren gegen Nawalny als „grob willkürlich beurteilt“.

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Das Straßburger Gericht sprach Nawalny auch Schadenersatz zu, den Russland sogar zahlte. „Statt Nawalny und seine Unterstützer weiter zu verfolgen, zu unterdrücken und zu kriminalisieren, müssen endlich strafrechtliche Ermittlungen beginnen, um das Gift-Attentat auf ihn aufzuklären“, verlangte die Ministerin. (alp/dpa)

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