Hass auf Bürgermeister: Er wurde verprügelt, weil er Corona-Party auflösen wollte
Höhfröschen/Bosau –
Das blaue Auge ist inzwischen verblasst, doch zum Einschlafen braucht Bürgermeister Gerhard Hoffmann aus Höhfröschen (Rheinland-Pfalz) immer noch Schmerzmittel – so berichtet er es. Dabei ist der Angriff auf ihn schon mehr als zwei Wochen her. Am 10. April wurde der Kommunalpolitiker von einer Meute Feierwütiger um die 20 Jahre brutal zusammengeschlagen, als er ihre illegale Party auflösen wollte. Kein Einzelfall. Immer häufiger werden Kommunalpolitiker in Deutschland zu Opfern von Beschimpfungen und Gewalt. Eine erschreckende Entwicklung.
„Es waren zwischen 25 und 30 junge Menschen, die während der Ausgangssperre auf einem Grillplatz in unserer Gemeinde gefeiert haben“, berichtet Hoffmann im Gespräch mit der MOPO. Er sei durch den Tipp eines Anwohners auf die illegale Party aufmerksam geworden und habe sich sofort auf den Weg dorthin gemacht, um sie aufzulösen. Doch die Jugendlichen zeigten sich völlig uneinsichtig. „Erst als ich die Polizei angerufen habe, ist ein Großteil gegangen“, berichtet Hoffmann.
Jugendliche greifen Bürgermeister an: „Ich habe Lebensgefahr gespürt“
Doch etwa fünf Jugendliche begannen, den Bürgermeister brutal anzugreifen. „Zuerst haben sie mich mit ihren Handylampen geblendet und ins Gesicht geschlagen“, berichtet Hoffmann. „Dann sprang mir einer von ihnen mit dem Fuß voran auf die Brust. Als ich schon am Boden lag, haben sie mich weiter getreten und geschlagen.“ So hilflos wie in dieser Situation habe sich der Kommunalpolitiker noch nie gefühlt: „Ich habe Lebensgefahr gespürt. Ich wusste, ich habe absolut keine Chance gegen die.“
Hoffmanns Rettung war ein zur Hilfe eilender Anwohner, bei dessen Eintreffen sich die Jugendlichen verzogen. „Sonst wäre vielleicht noch Schlimmeres passiert“, vermutet der Bürgermeister, der sich schwere Rippenprellungen und Blutergüsse zuzog.
Angriffe auf Kommunalpolitiker nehmen zu
Und Gerhard Hoffmann aus Höhfröschen ist nicht der einzige Kommunalpolitiker, der sich in letzter Zeit verbalen oder tätlichen Übergriffen ausgesetzt sieht. Die Zahl dieser Vorfälle hat einer Umfrage des Magazins „Kommunal“ im Auftrag des ARD-Politmagazins „report München“ unter 1611 Mandatsträgern zufolge seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich zugenommen.
Das könnte Sie auch interessieren: „Einfach widerlich!“: Rassistischer Tram-Angriff auf Jugendlichen sorgt für Entsetzen
Demnach wurden insgesamt 72 Prozent der Bürgermeister in Deutschland schon einmal beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen – im Jahr zuvor waren es noch 64 Prozent. Übergriffe auf Gemeindevertreter und Mitarbeiter gab es sogar in 79 Prozent der Kommunen (Vorjahr: 70 Prozent). Der Umfrage zufolge wurde jeder fünfte Gemeindevertreter oder Mitarbeiter körperlich angegriffen, bespuckt oder geschlagen. Bei den Bürgermeistern waren es 11 Prozent – zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Gewalt gegen Bürgermeister: Corona-Pandemie als Ursache
37 Prozent der Befragten sieht die Ursache dieser Zunahme in der Corona-Pandemie. Knapp mehr als die Hälfte (53 Prozent) gibt an, die Zahl der Angriffe sei in etwa gleichgeblieben. Oft ist die Durchsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen ein Problem – in fast der Hälfte der Städte und Gemeinden (46 Prozent) gab es Probleme bei der Durchsetzung der Maskenpflicht.
Auch Gerhard Hoffmann sieht die Corona-Pandemie als Ursache für die zunehmende Gewalt. „Ich bin seit 20 Jahren Kommunalpolitiker und seit 2019 Bürgermeister und wurde zuvor noch nie verbal oder körperlich angegriffen“, berichtet er. Dabei habe er auch vor der Pandemie schon Partys auflösen müssen, weil die Feiernden zu laut waren. „Die fanden das dann nicht toll, aber sie haben es eingesehen“, erinnert sich Hoffmann. Jetzt seien die Menschen jedoch nur noch genervt, sähen sich aller Freiheiten beraubt.
Nach dem Vorfall auf dem Grillplatz hat der Bürgermeister seine Konsequenzen gezogen. Der Platz, der vorher frei zugänglich war, darf ab jetzt nur noch mit einer schriftlichen Genehmigung von ihm genutzt werden. Gegen die Jugendlichen wird wegen Körperverletzung ermittelt.
Bewaffneter stürmte Sitzung von Kommunalpolitikern im Norden
Auch im Norden kam es kürzlich zu einem gefährlichen Angriff auf gleich mehrere Kommunalpolitiker. Ein 67-Jähriger stürmte eine Sitzung in Bosau (Schleswig-Holstein), beleidigte die Anwesenden und zog dann vor dem Ausschussvorsitzenden des Bau-, Verkehrs- und Umweltausschusses einen Teleskop-Schlagstock. Wie Bürgermeister Eberhard Rauch der MOPO berichtete, hatte sich der Mann unter anderem darüber aufgeregt, dass sich Familien aufgrund der Corona-Maßnahmen derzeit nicht treffen dürften, Gemeindevertreter hingegen schon. Gegen den mutmaßlichen Täter wird nun wegen Bedrohung und Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt.
Das könnte Sie auch interessieren: Kurz nach Floyd-Urteil: Schwarzer von Polizisten erschossen
Eberhard Rauch hat bereits im November 2020 einen verbalen Angriff erlebt, als ein Einwohner dem Kommunalpolitikern während einer Sitzung zurief, man solle sie doch alle aufhängen. „Viele Kollegen haben jetzt Angst“, berichtet der Bürgermeister. Man sei sich bewusst, dass so etwas wieder passieren könne – und habe deshalb im Bereich Sicherheit aufgestockt, schließe nun zum Beispiel alle Türen ab. Für Rauch ist der Vorfall eine Enttäuschung. „Ich mache diesen Job ehrenamtlich und investiere viel Zeit und Energie – und dann dankt man es mir so?“