Heftige Vorwürfe: Billigmode-Riese baut 800 Stellen ab – will er Mütter loswerden?
Streit um Entlassungen bei der schwedischen Modekette „Hennes & Mauritz“: Ganze 800 Stellen will der Konzern in Deutschland abbauen. „Business Insider“ und Verdi zufolge soll es hauptsächlich junge Mütter treffen. H&M weist die Vorwürfe zurück.
Rund fünf Prozent aller deutschen Beschäftigten sollen gehen: H&M baut massiv Stellen ab. Um dabei betriebsinterne Kündigungen zu vermeiden, will der Modekonzern den Stellenabbau aber über ein Freiwilligenprogramm abwickeln. „Sollte die Anzahl der Freiwilligen in diesem Programm nicht ausreichen, wird die Entscheidung über eine Sozialauswahl getroffen“, teilte das Unternehmen mit.
Auch Hamburg dürfte nicht verschont bleiben, hat der Konzern in unserer Stadt doch gleich mehrere Filialen – unter anderem das Stammhaus in der Spitalerstraße, das auch deutscher Firmensitz ist.
H&M baut Stellen ab: Sollen junge Mütter gehen?
Das Freiwilligenprogramm wurde dem Gesamtbetriebsrat vorgeschlagen. Laut „Business Insider“, dem nach eigenen Angaben der ausformulierte Vorschlag von der H&M-Geschäftsführung vorliegt, werden als passende Kandidaten vor allem Mitarbeiter in Elternzeit ausgewiesen – das wären überwiegend junge Mütter.
Zwar ist eine Kündigung in der Elternzeit nicht zulässig, wohl aber sobald Mütter ihre Arbeit wieder aufgenommen haben. Der Verdacht von „Business Insider“ und Verdi: H&M will Mitarbeiter loswerden, die nicht abends oder samstags arbeiten können oder wollen, denn das sind besonders umsatzstarke Zeiten in den Filialen.
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„H&M will insbesondere Beschäftigte mit Kindern oder schwer behinderte Kolleg*innen loswerden, die auf sozial- und gesundheitsverträgliche Arbeitszeiten angewiesen sind“, urteilte die Verdi schon Mitte Januar. Jetzt legt Cosimo-Damiano Quinto aus der Verdi-Bundesfachgruppe Einzelhandel im „Business Insider“ noch einmal nach: „H&M-Deutschlandchef Thorsten Mindermann verhält sich wie ein Unternehmenspatriarch, der Entscheidungen über die Köpfe von Frauen hinweg trifft.“
Online-Shopping: Umsatzeinbußen beim Modekonzern
Und weiter: „Im Grundgesetz heißt es klipp und klar: Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Eigentum verpflichtet daher auch Unternehmen wie H&M, Frauen in Elternzeit und berufstätigen Müttern familienfreundliche Arbeitszeiten zu ermöglichen, anstatt ihre Doppelbelastung als Schwäche auszunutzen und zu versuchen, sie auf die Straße zu setzen“, so der Gewerkschaftssekretär.
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H&M dementiert die Vorwürfe. Zur MOPO sagt das Unternehmen, dass sich das Freiwilligenprogramm nicht vorrangig an Mütter und Väter richte: „Wir haben mit diesem Programm ein milderes Mittel gewählt um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Es richtet sich an alle Kolleg*innen aus unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen, die sich konkret für dieses Programm entscheiden können.“ Dabei gehe der Konzern nach geltenden rechtlichen Bestimmungen vor.
H&M weist Vorwürfe zurück
Sollte es zu Kündigungen über eine Sozialauswahl kommen, seien Mitarbeiter nach geltendem Arbeitsrecht geschützt, die eine Kündigung mit besonderer sozialer Härte treffen würde, wie beispielsweise Mütter und Väter, so das Unternehmen. Hier würden unter anderem Faktoren wie Alter, Betriebszugehörigkeit und unterhaltspflichtige Kinder/Familienmitglieder/Verwandte miteinbezogen werden. „Wichtig zu betonen ist, dass Kolleg*innen in Elternzeit selbstverständlich von betriebsbedingten Kündigungen ausgenommen werden und ausschließlich die Möglichkeit haben sich für das Freiwilligenprogramm zu entscheiden, sofern sie sich beruflich verändern möchten.“
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Als Grund für den Stellenabbau gilt zum einen die Corona-Pandemie: Der Nettoumsatz des Unternehmens sank von Dezember 2019 bis November 2020 weltweit um 18 Prozent auf rund 18,3 Milliarden Euro. Bereits im Oktober hatte der Konzern verlauten lassen, Filialen schließen zu wollen. Laut „Business Insider“ hatte der Umsatzeinbruch aber wegen eines veränderten Einkaufsverhaltens der Kunden und Online-Shopping bereits 2018 begonnen – wenn auch deutlich langsamer. Das Unternehmen habe die Digitalisierung verpasst, so das Urteil von „Business Insider“.
Arbeitsbedingungen bei H&M: Kein Digitalisierungstarifvertrag
Laut Verdi drohen nun Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen: „Das „Freiwilligenprogramm“, das H&M mit den Betriebsräten abzuschließen hofft, baut soziale Standards ab“, so die Gewerkschaft, die mit dem Konzern einen Digitalisierungstarifvertrag abschließen will.
H&M besteht hingegen auf die Verhandlungen mit dem innerbetrieblichen Gesamtbetriebsrat (GBR). „Der Digitalisierungstarifvertrag ist die Antwort der Gewerkschaft ver.di auf unserer Aufforderung an unseren Gesamtbetriebsrat (GBR) – eine Rahmenvereinbarung zur Digitalisierung – zu verhandeln“, so der Modekonzern zur MOPO. Das Unternehmen bräuchte „dringend gemeinsame Prozesse zur beschleunigten Einführung von technischen Systemen.“ Maßnahmen dieser Art könnten jedoch nicht mit der Gewerkschaft, sondern müssten innerbetrieblich mit dem GBR verhandelt werden.