Hungersekte für den Tod Dutzender in Kenia verantwortlich: schon 112 Leichen geborgen
Sie suchten die Nähe zu Gott und hungerten sich auf Anweisung ihres Pastors dabei zu Tode: Die Zahl der Opfer der „Hungersekte“ in Kenia dürfte angesichts neu entdeckter Massengräber noch steigen. Die Regierung plant Maßnahmen, um Sekten künftig zu regulieren.
Rund vier Wochen nach ersten Hinweisen auf eine „Hungersekte“ in der kenianischen Küstenregion Malindi sind bislang 112 Leichen geborgen und obduziert worden. Innenminister Kithure Kindiki, der am Dienstag die Arbeit von Polizei, Ärzten und Rettungsdienst vor Ort besucht hatte, geht davon aus, dass noch deutlich mehr Gräber im Waldgebiet von Shakahola gefunden werden. Derzeit würden 20 Massengräber geöffnet, sagte er.
Polizei durchkämmt Waldgebiet
Die Behörden in Malindi hatten Mitte April einen Hinweis erhalten, dass Anhänger eines örtlichen Pastors sich in der Hoffnung, „Jesus zu treffen“, in dem Waldgebiet zu Tode hungerten. Am Tag darauf fand die Polizei 15 hungernde Menschen in einer abgelegenen Siedlung in dem Wald, von denen sechs in einem kritischen Zustand waren. Vier von ihnen starben nach Polizeiangaben bei den Rettungsmaßnahmen. Später durchkämmte die Polizei das Waldgebiet nach Massengräbern.
Bisher seien 25 Verdächtige festgenommen worden, sagte Kindiki. Unter den Festgenommenen ist auch der mutmaßliche Sektenführer, der Pastor einer Freikirche. Bisher konnten nach Kindikis Angaben 65 Angehörige der Sekte lebend gerettet werden, zwei von ihnen wurden am Dienstag geborgen.
Die Sekte „Good News International Church“ wurde 2003 gegründet. Vor einigen Jahren kaufte der Sektenführer Land im Shakahola-Wald und ermunterte nach Angaben ehemaliger Mitglieder auch seine Anhänger zu Landerwerb. Kenianischen Medienberichten zufolge soll die Sekte etwa 3000 Anhänger gehabt haben.
Sektenmitglieder schotteten sich völlig ab
In Videoaufnahmen früherer Gottesdienste predigte der selbst ernannte Geistliche mit weit ausholenden Gesten vor einem aufmerksamen Publikum in dicht gefüllten Veranstaltungszelten. Nach Aussagen von Angehörigen von Sektenmitgliedern forderte er seine Anhänger auf, ihre Kinder nicht mehr in die Schule zu schicken. Die Sektenmitglieder sollten danach auch den Kontakt zu ihren Familien und alle weltlichen Aktivitäten abbrechen.
Auf dem Twitter-Account des Innenministeriums wurden einige Bilder von den Exhumierungsarbeiten gezeigt. Gelbes Flatterband der Polizei ist dort um die Grabungsorte gespannt und weist sie als Schauplatz von Verbrechen aus. Forensiker in weißen Schutzanzügen und mit Gesichtsmasken stehen hüfttief in den Gräbern in der roten Erde, die teils bereits mit provisorischen Tatortschildern gekennzeichnet sind. Mit Spitzhacken und Schaufeln wird nach Opfern gegraben, Hütten, in denen Opfer lebten, werden desinfiziert. Die Arbeit dürfte zusätzlich erschwert werden angesichts des tropischen Klimas in der Küstenregion.
Polizisten durchkämmen auch weiterhin das mehr als drei Quadratkilometer große Waldgebiet, das zur Sicherheitszone erklärt wurde. Für das Gebiet gilt zudem eine nächtliche Ausgangssperre. Die Untersuchungen und die Suche nach weiteren Gräbern werde wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen, sagte Kindiki. Mit der Absperrung des Geländes solle auch die Würde der Opfer und ihrer Angehörigen geschützt werden.
In den vergangenen Tagen waren erste Ergebnisse der Obduktionen bekannt geworden. Die meisten Opfer waren demnach verhungert, einige Kinder sollen erstickt oder erwürgt worden sein.
Religiöse Indoktrinierung soll gestoppt werden
Kindiki hatte sich für eine stärkere Aufsicht über religiöse Einrichtungen ausgesprochen, nachdem sich das Ausmaß der Opfer der Sekte abzeichnete. Die kenianische Regierung unterstütze religiöse Organisationen und das Recht auf freie Religionsausübung, betonte er nach einem Gottesdienstbesuch am vergangenen Sonntag. Sie werde aber nicht davor zurückschrecken, „religiöse Führer aufzuhalten, die Schurken sind und das Wort Gottes manipulieren, um Menschen zu indoktrinieren und in die Irre zu führen“, betonte er.
Der kenianische Präsident William Ruto hatte bereits Anfang Mai eine Task Force unter der Leitung des früheren Generalsekretärs des kenianischen Kirchenrats eingesetzt. Sie soll in den kommenden sechs Monaten Empfehlungen zu religiösen Organisationen und ihren Mindeststandards ausarbeiten. Dabei soll es darum gehen, die Entwicklung von Kulten und fragwürdigen Sekten ebenso zu unterbinden wie die Verbreitung von religiösem Extremismus.
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In dem überwiegend christlich geprägten ostafrikanischen Land gibt es außer den großen Kirchen auch zahlreiche Freikirchen. Knapp elf Prozent der Kenianer sind Muslime.(dpa)