Im Vergleich: Deutschland hat mehr Corona-Tote als die USA – wieso ist das so?
Berlin –
Lange Zeit klopfte man sich hierzulande für die gute Corona-Krisenbewältigung auf die Schultern. Doch mittlerweile gehört Deutschland mit Blick auf die Corona-Toten zu den am schlimmsten betroffenen Ländern weltweit. Wie konnte es dazu kommen?
In Deutschland sterben derzeit vergleichsweise mehr Menschen an oder mit Corona als in den schwer von der Pandemie gebeutelten USA. Und das, obwohl sich dort in Relation weit mehr Menschen mit dem Coronavirus infizieren als hierzulande. Das geht aus den Zahlen der Johns-Hopkins-Universität hervor, die den Durchschnitt der vergangen sieben Tage darstellen.
Berlin: Mehr Corona-Tote in Deutschland als in den USA
Betrachtet man die neuen Corona-Fälle, so steckten sich pro eine Million Einwohner 703 Menschen in den USA an (Stand Donnerstag) und nur 305 in Deutschland. Und auch im Vergleich mit den anderen Ländern der EU steht Deutschland vergleichsweise gut da, was die Zahl Infizierter angeht.
Das könnte Sie auch interessieren: Mehr Homeoffice, weniger Reisen – drastischer Appell! RKI-Chef: „Bleiben Sie Zuhause!“
Doch bei der Zahl der Corona-Toten sieht es ganz anders aus: Hier liegt Deutschland sogar vor den USA – und wird nur durch Großbritannien „übertrumpft“. Im Sieben-Tage-Durchschnitt verzeichnet Deutschland derzeit knapp über 14 Todesfälle pro eine Million Einwohner. In den USA sterben derzeit „nur“ knapp 12 Menschen pro Tag an oder mit Corona. Vergangene Woche hatte Deutschland den transatlantischen Partner überholt.
Mit diesen Zahlen liegt Deutschland ebenfalls deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 7,5. Auch das frühere Sorgenkind der Pandemie, Italien, liegt mit knapp über 8 Todesfällen weit hinter Deutschland. Die meisten Todesfälle verzeichnet derzeit Großbritannien – hier sterben 23 Menschen pro eine Million Einwohner.
Mögliche Gründe für hohe Todeszahlen in Deutschland
Aber warum ist das so? Wieso sind die Todeszahlen in Deutschland derzeit so viel höher als anderswo? Derzeit können Experten noch keine konkreten Angaben machen.
Aber: Dass in der EU und Großbritannien im Vergleich mit den USA derzeit allgemein mehr Menschen mit Corona sterben, könnte unter anderem an den in Europa grassierenden, aggressiven Virus-Mutationen liegen. Zwar gibt es derzeit keine Belege dafür, dass die Mutanten per se tödlicher sind. Aber aufgrund des deutlich höheren Ansteckpotenzials und wegen der dadurch gestiegenen Infektionszahlen steigt auch die Gefahr, dass Krankenhäuser und Ärzte nicht mehr allen Erkrankten rechtzeitig helfen können.
Auch die Altersstruktur könnte eine Rolle spielen, denn: Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben. Die Bevölkerung in Deutschland ist mit einem Durchschnittsalter von 44,5 Jahren deutlich älter als die in den USA (38,3 Jahre). Wie aus Zahlen der US-Gesundheitsbehörde CDC hervorgeht, sind in den USA rund 60 Prozent der Corona-Toten älter als 75. In Deutschland sind unter den Toten sogar noch mehr Ältere: Knapp 70 Prozent von ihnen sind älter als 80.
Zudem wird in den USA mittlerweile deutlich mehr getestet: In den vergangenen Tagen waren es dort durchschnittlich vier Tests pro 1000 Einwohner, in Deutschland hingegen nur knapp mehr als ein Test pro 1000 Einwohner. Das hat Auswirkungen auf die gemeldete Zahl der Neuinfektion, nicht jedoch auf die der Todeszahlen. Dadurch verschiebt sich das Verhältnis von Infektions- zu Todeszahlen entsprechend.
Corona: Versagen in den Pflegeheimen
„Der Aspekt mit den Toten bedrückt mich enorm“, sagte RKI-Präsident Wieler am Donnerstag. Pflegeheime müssten besser geschützt werden. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, findet noch deutlichere Worte. „Die vielen Infektionen und hohen Todesraten unter den 900.000 Pflegeheimbewohnern sind vor allem auf mangelnde Hygiene zurückzuführen“, kritisierte er.
Es gebe kaum noch externe Kontrollen durch die Gesundheitsämter und weiterhin keine verpflichtenden Tests vor jedem Dienstbeginn und Besuch. „Das ist die toxische Mischung.“ Bisher versagten Bund, Länder, Gemeinden und auch die Einrichtungen vor Ort bei dieser lebensentscheidenden Aufgabe. (vd/mn)