Frauen demonstrieren in Teheran
  • Protestierende Frauen in Teheran fliehen vor der Polizei. (Bild vom 19. September)
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

Junge Frau stirbt in Polizeigewahrsam: Wut und Verzweiflung auf Teherans Straßen

Vielleicht waren es nur ein paar Haarsträhnen, die unter ihrem Hijab hervorschauten. Im Iran kann so etwas fatale Konsequenzen haben. Für Mahsa Amini war ihre „unislamische Kleidung“ tödlich: Die junge Iranerin starb vergangene Woche im Polizeigewahrsam in Teheran. Ihr Tod hat das Land aufgewühlt, es hat die Menschen so wütend gemacht, dass sie es sogar wagen, gegen das Regime auf die Straße zu gehen. Allein in der Hauptstadt Teheran kamen am Montagabend Tausende zusammen. Die Führung wird nervös.

Sicherheitskräfte sind mit einem massiven Aufgebot unterwegs, die Polizei ging teils mit Wasserwerfern und Schlagstöcken vor. Teilnehmerinnen riefen an mehreren Orten: „Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“, eine Parole, die auf Demos nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 populär wurde. Im Volkspark Mellat nahmen laut Augenzeugen Frauen aus Solidarität ihre Kopftücher ab.

Was genau passierte – das ist nicht klar. Mahsa Amini war während eines Familienbesuchs in Teheran festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden. Offiziell fiel sie dort wegen Herzversagens erst in Ohnmacht und danach ins Koma. An der Darstellung gibt es heftige Zweifel, im Netz kursiert eine andere Version. Nach der Verhaftung soll sie heftig auf den Hinterkopf geschlagen worden wein, was zu einer Hirnblutung führte. Die Polizei wies das vehement zurück. Die Klinik, in der sie behandelt wurde, hatte nach ihrem Tod in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram geschrieben, dass Amini bereits bei der Aufnahme hirntot gewesen sei.

Nach Tod einer 22-Jährigen: Wut und Proteste im Iran

Was fest steht: Das Schicksal der 22-jährigen Amini bringt den Frust, die Wut und die Verzweiflung der Menschen zum Vorschein – und die Regierung des erzkonservativen Präsidenten Ebrahim Raisi in Erklärungsnot. Zur Empörung über ihren Tod kommt der Frust über die miserable Wirtschaftslage. Zuletzt schwanden auch die Aussichten auf eine Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Westen, von dem sich viele Iraner die Aufhebung von Sanktionen erhoffen.

Nicht nur im Iran, auch über die Landesgrenzen hinaus löste Aminis Schicksal große Anteilnahme und Bestürzung aus. So forderte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die Verantwortlichen für ihren Tod müssten zur Rechenschaft gezogen und die Grundrechte aller Menschen im Iran geschützt werden – auch die von Häftlingen.

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Der Experte Iran-Experte Adnan Tabatabai vom Forschungszentrum Carpo in Bonn geht von einer harten Reaktion aus: „Ich würde zunächst befürchten, dass der Sicherheitsapparat mit all seiner Wucht den Protesten erst mal ein Ende setzen wird und mit Härte dafür sorgen möchte, dass die Proteste auf der Straße aufhören.“ Die Forderungen könnten aber auch zu allmählichen Reformen führen. Anzeichen dafür seien kritische Äußerungen wie etwa durch den ehemaligen Kulturminister Abbas Salehi, der in einem Tweet ein Überdenken der Vorgehensweisen fordert.

Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen kritisierte die Umsetzung von Bekleidungsvorschriften für Frauen im Iran scharf und forderte eine rasche und unabhängige Untersuchung des Todes der 22-Jährigen. Alle diskriminierenden Rechtsvorschriften zu weiblicher Bekleidung sollten aufgehoben werden. (dpa/miri)

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