Lützerath: Massive Gewaltvorwürfe gegen die Polizei – Räumung nahezu abgeschlossen
Die letzten Gebäude weg, die meisten Aktivisten von dannen gezogen: Im Braunkohledorf Lützerath (NRW) sind die Proteste vorbei, die Räumung nahezu beendet – aber das mit scharfen Gewalt-Vorwürfen. Was die Gemüter zusätzlich erhitzt: Studien, die sagen, dass wir die Kohle aus dem umkämpften Ort in NRW eigentlich gar nicht brauchen.
Zwei Fronten, zwei Versionen der Ereignisse zwischen Abbruchkante und Dorfgrenze: Während die Polizei bei der Großdemonstration am Samstag in Lützeraths Nachbarort Keyenberg von 15.000 Teilnehmern sprach, gab Fridays for Future die Zahl mit 35.000 an.
Eine Sprecherin von „Lützerath lebt“ sagte, dass es während der Demo am Samstag „ein unglaubliches Maß an Polizeigewalt“ und sogar teils lebensgefährliche Verletzten gegeben habe. Von Menschen in Lebensgefahr wusste man bei der Polizei hingegen nichts. Weiter hieß es von Demonstrantenseite, dass eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern verletzt worden sei – durch Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe der Beamten. „Die Polizei hat also nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivisten geschlagen“, so die Sprecherin.
Laut Polizei setzten sie Pfefferspray und Co. vor allem gegen rund 1000 großenteils vermummte „Störer“ ein, die versuchten, auf das abgesperrte Gelände zu gelangen. Den Angaben zufolge attackierten einzelne Demonstranten auch Polizeiautos und warfen Pyrotechnik. Laut Polizei gab es seit Beginn der Räumung am Mittwoch insgesamt mehr als 70 verletzte Polizisten. Die meisten davon bei der Demo. Zusätzlich knickten einige Beamten immer wieder im schlammigen Boden um.
Lützerath: Greta Thunberg kritisiert die Grünen
Für die Aktivisten ist klar: „Es wurde nur darauf gesetzt alles schnell zu zerstören“, so eine „Lützerath lebt“-Sprecherin. Und weiter: „Gebrochen habt ihr uns aber nicht. Wir sind wütender geworden.“ Ebenfalls kämpferisch bei der Demo dabei: Hauptrednerin Greta Thunberg. Die weltbekannte Klima-Ikone hatte zuvor die Grünen in einem Interview scharf kritisiert.
„Dass die Grünen mit solchen Unternehmen Kompromisse schließen, zeigt, wo ihre Prioritäten liegen.“ Mit ihrem Unmut ist sie nicht alleine: So bekam die Partei landesweit starken Gegenwind, in Düsseldorf wurde bereits am Donnerstag die Landeszentrale besetzt, in Aachen, Mönchengladbach und Leipzig wurden an Partei-Büros Scheiben eingeworfen und Parolen an die Wände geschmiert.
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Viele Klima-Aktivisten erzürnen zudem Studien zu Lützerath. Fazit einer Untersuchung von Europa-Universität Flensburg, der TU Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Versorgungsknappheit und dem Bedarf an Lützerath-Kohle: Der Kohlebedarf aus dem Tagebau Garzweiler könnte ohne die Kohle unter Lützerath gedeckt werden.
Dazu sagt Studien-Autorin Claudia Kemfert im „Stern“: „Die Kohle unter Lützerath wird nicht gebraucht. Unsere Studien, aber auch andere, zeigen sehr deutlich, dass wir auf existierende Tagebaue, die es ja dort vor Ort gibt, zurückgreifen können.“ Es könne das abgebaggert werden, „ohne dass Lützerath zerstört werden muss.“ (alp)