„Man wollte mich schlachten“: Die verstörende Welt von Taleb A.
„Leg dich hin, die Hände auf den Rücken“ – der Befehl eines Polizisten ist das Ende der mutmaßlichen Horrorfahrt von Taleb A. mit mindestens fünf Toten über den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Bislang ist noch völlig unklar, ob und was der festgenommene 50-Jährige zu seinem Tatmotiv sagt. In der Vergangenheit fiel er bereits durch wirre Aussagen auf.
Interviews und Onlineaktivitäten zeigen das Bild eines Mannes, der den Islam ablehnt und mit der AfD sympathisiert. Die von den Behörden zu Taleb A. offiziell bestätigten Informationen sind knapp. Er stammt aus Saudi-Arabien, in Deutschland lebt er seit 2006 und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Sein letzter Wohnort war Bernburg in Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus ist bekannt, dass er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein soll.
Taleb A. floh aus Saudi-Arabien – und fühlte sich verfolgt
A. kam nach seinem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden saudi-arabischen Pass am 5. November 1974 zur Welt. Er ist Schiite und stammt aus dem Osten Saudi-Arabiens. In seinem Heimatland studierte er Psychologie, bevor er nach Deutschland ging. Dorthin kam er, weil er sich vom Islam lossagte und seither verfolgt fühlte. Er habe öffentlich gegen den Islam geschrieben, sagte er vor fünf Jahren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Man wollte mich ,schlachten‘, wenn ich nach Saudi-Arabien zurückkehren würde.“ Deshalb sei er lieber in Deutschland geblieben. „Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte“, behauptete er damals über sich.
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Und A. versteht sich als Aktivist, der insbesondere bei dem als Twitter bekannt gewordenen heutigen Onlinedienst X seit vielen Jahren aus Deutschland heraus bis zu seiner Festnahme mit tausenden Nachrichten extrem aktiv war. Er zeigte sich dort und bezeichnete sich auch als Islamkritiker.
So schrieb A. etwa, seiner Erfahrung nach sei „die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland“. Er warf der Polizei vor, zuletzt im März diesen Jahres gegen ihn und andere Islamkritiker „schmutzige Taktiken“ angewendet zu haben, „um unseren anti-islamischen Aktivismus zu zerstören“.
Er sympathisierte offen mit der AfD
A. pflegt also das Selbstbild eines Islamkritikers. Und er positioniert sich politisch rechts. Die Linken seien „verrückt“ – „wir brauchen AfD um die Polizei vor sich zu schützen.“ In einem anderen Post wirft er auch die Frage auf, wer außer der AfD Deutschland vor dem Islam schützen könne. In seiner Selbstbeschreibung bei X äußert sich A. zugleich wie ein Verschwörungstheoretiker. „Deutschland jagt saudische Asylsuchende innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören“, schrieb er dort etwa und außerdem: „Deutschland will Europa islamisieren.“
Alle aktuellen Entwicklungen zur Todesfahrt in Magdeburg gibt es in unserem Liveblog.
A. veröffentlichte zum Ende der Todesfahrt noch aus dem Tatauto heraus ein Video voller wirr erscheinender Anschuldigungen. Nach den darin getroffenen Aussagen fühlte er sich verfolgt – womöglich ein Hinweis auf psychische Probleme? Noch vor wenigen Jahren zeigte sich A. als Aktivist, der Frauen aus Saudi-Arabien bei ihrer Flucht hilft.
Früher habe er sich für Frauen aus Saudi-Arabien eingesetzt
Im Jahr 2019 erschienen in Deutschland und auch international mehrere Interviews und Berichte über sein Agieren. Er gab damals an, Frauen aus Saudi-Arabien über das deutsche Asylsystem informieren zu wollen. Mit diesen Informationen sollten sie dann ihren Weg finden, um nach seinen Angaben aus Unterdrückung in Freiheit zu kommen. A. veröffentlichte dazu neben zahlreichen Twitter-Nachrichten auch eine eigene Homepage.
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Das damalige Ziel des mutmaßlichen Attentäters war, dass die von ihren Männern unterdrückten Frauen in Deutschland Schutz suchen sollten. Auch in diesem Punkt wandelte sich allerdings seine Haltung und er wandte sich gegen das Land, in dem er lebte. Auf der nach wie vor aktiven Homepage schrieb A., sein Rat sei, kein Asyl in Deutschland zu beantragen. (afp)