Mann wollte Laden in die Luft jagen – weil er keine Lust auf Arbeit hatte
Sprengstoff, Erpressung und eine halbe Million Euro. Dieser Prozess in Karlsruhe hat alles, was ein guter Actionfilm braucht, dabei hatte es der mutmaßliche Täter bloß satt, zur Arbeit zu gehen. Jetzt steht der 53-Jährige vor Gericht – ihm droht eine lange Freiheitsstrafe.
Er wollte nach wiederholtem Burnout als Pfleger nicht mehr arbeiten und sich bis zur Rente ein Auskommen sichern – deshalb erpresste er von der Drogeriemarktkette dm im September 2019 rund eine halbe Million Euro in der Kryptowährung Bitcoin. Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Karlsruhe legte der 53-jährige Angeklagte am Donnerstag ein umfassendes Geständnis ab.
Mann zündete selbstgebastelten Sprengsatz
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte er in einer Freiburger dm-Filiale beim Katzenfutter einen Sprengsatz gezündet. Es entstand ein Schaden von 20.000 Euro. Verletzt wurde niemand. Der selbstgebastelte Sprengsatz mit Zeitzünder ging außerhalb der Geschäftszeit hoch. „Ich wollte keinen Menschen schädigen“, beteuerte der Angeklagte vor Gericht. Er habe aber möglichst viel „Unordnung“ in dem Laden schaffen wollen, damit seine Forderung ernst genommen würde.
Auf Bildern wurde im Gericht das Ausmaß der Zerstörung in der Filiale gezeigt: Auf dem Boden verstreut liegen überall Waren herum. Dass es die dm-Filiale in Freiburg traf, war Zufall: Der Laden sei einfach erreichbar gewesen, so der Angeklagte. Er habe nur ein Unternehmen treffen wollen, dem eine solche Zahlung „am wenigsten weh“ tun würde.
Drogeriemarkt dm zahlte Hunderttausende Euro in Bitcoin
Aus Sorge um seine Kunden und Mitarbeiter – europaweit hat dm rund 4000 Filialen in 14 Ländern – zahlte das Drogerieunternehmen rund 500.000 Euro in Bitcoin. Denn der Erpresser hatte nach der Explosion in der Filiale in einem Bekennerschreiben gedroht, dass man „mit diesem Warnschuss mehr als glimpflich davongekommen“ sei. Zuvor hatte er an den damaligen dm-Chef Erich Harsch und zwei leitende Mitarbeiter gleichlautende Erpresserbriefe verschickt.
Hätte das Unternehmen nicht bezahlt – wie weit wollte der Mann wirklich gehen? Der angeklagte Deutsche wuchs in Augsburg und Konstanz auf. Nach dem Abitur und Zivildienst schlug er sich mit verschiedenen Jobs durch, machte den Pilotenschein und mit 30 Jahren eine Ausbildung zum Pflegefachmann. Zuletzt arbeitete er in einer Schweizer psychiatrischen Klinik, weil er dort mehr verdiente.
Mann kaufte sich Autos und ein Motorboot von der Beute
Anthrazitfarbenes Hemd, Segelschuhe, vor Gericht präsentierte er sich solide und kooperativ. Die Tat erklärte er mit einer psychischen Erkrankung und Burnout nach vielen Nachtdiensten. „Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte.“ Und er fragte sich: „Was kannst Du machen, um nicht mehr zur Arbeit zu müssen?“ Der Waffensammler besann sich auf sein Know-how mit Bitcoins und Feuerwerkskörpern. Die Zutaten für den Sprengstoff habe er in der Schweiz ohne Schwierigkeiten organisieren können. Den Karton mit Katzenfutter, den er mit Sprengstoff präparierte und mit Brille und Perücke verkleidet kurz vor Ladenschluss ins Regal stellte, habe er zu Hause gehabt. Kurz zuvor sei seine Katze gestorben. „Ich habe immer Katzenfutter bei dm gekauft.“
Die erbeuteten Bitcoins habe er zur Verschleierung mit anderen Kryptowährungen gemixt, erzählte der Angeklagte. Später in echtes Geld umgewandelt, kaufte er sich drei Autos und erfüllte sich einen Traum: Er machte den Bootsführerschein und erwarb ein Motorboot, mit dem er bis nach Frankreich schipperte.
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Er wähnte sich längst sicher, als nach knapp drei Jahren die Handschellen klickten. Trotz Verschleierung kamen die Fahnder mit Hilfe eines Experten für Kryptowährungen über das Verfolgen von Transaktionsketten auf die digitale Spur der erpressten Bitcoins. Dank weiterer Hinweise wurde der 53-Jährige Deutsche schließlich als Verdächtiger identifiziert und festgenommen. Seit Ende Juli vergangenen Jahres ist er in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem besonders schwere räuberische Erpressung und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vor. Dafür hat die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von neun Jahren beantragt. Das teilte ein Sprecher der Anklagebehörde am Freitag mit. Der Verteidiger plädierte auf ein „mildes Urteil“, ohne ein konkretes Strafmaß zu nennen. Das Karlsruher Landgericht will das Urteil nach Ostern sprechen, voraussichtlich am 14. April. (dpa/mp)