#MeToo an Schulen und Unis: Frauen in Marokko wehren sich gegen sexuelle Gewalt
Sie dokumentieren, tauschen sich aus, gehen auf die Straße – und werden endlich gehört: In Marokko erheben gerade immer mehr Studentinnen die Stimme gegen sexuelle Übergriffe durch Uni-Dozenten, Professoren und Lehrer. Das Thema bewegt etwas in dem konservativen Land, denn zum ersten Mal sitzen Männer, die ihre Macht gegenüber Frauen missbrauchen, auf der Anklagebank.
Ähnlich wie schon in vielen anderen Ländern der Welt, erreichen die Geschichten, die bis jetzt niemand gehört hat, die Öffentlichkeit unter einem Hashtag. In der aktuellen marokkanischen Bewegung, die sich hauptsächlich auf Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt in Bildungseinrichtungen konzentriert, ist es #metooUniv, unter dem Frauen in den sozialen Netzwerken ihre Erlebnisse schildern – und seit Wochen in den Schlagzeilen des Königreiches stehen.
Zu lesen ist von guter Benotung nach nicht einvernehmlichem Sex, Misshandlungen oder aufdringlichen, sexuell aufgeladenen Nachrichten von Professoren. Eine Frau schreibt auf Instagram: „Ich war 14, als mein Lehrer mich geküsst hat. Er war über 50, hatte Kinder und war verheiratet. Nach der Schule war ich bei ihm daheim, weil ich Fragen zum Unterricht hatte. Dann nahm er meine Hand und küsste mich. Ich war total schockiert und traumatisiert. Ich habe es gehasst, in seinen Unterricht zu gehen. Ich konnte bis jetzt noch niemandem davon erzählen.“ Wie „tagesschau.de“ mit Berufung auf staatliche Stellen berichtet, haben fast zwei Drittel der Marokkanerinnen schon sexuelle Gewalt erlebt.
#MeToo in Marokko: Immer mehr Studentinnen berichten von sexuellen Übergriffen an Unis
Der Machtmissbrauch an Universitäten und Schulen ist nicht zum ersten Mal Thema in Marokko. Immer wieder gab es Vorwürfe gegen Lehrpersonen, Universitäten wurde immer wieder vorgeworfen, nicht angemessen auf Vorwürfe sexueller Übergriffe reagiert zu haben. Bisher verliefen die Berichte der Frauen meist im Sande. Dieses Mal scheint es anders: Studentinnen gehen auf die Straße, protestieren lautstark, aber vor allem: Professoren der Universitäten von Städte Oujda, Tanger und Settat wurden angeklagt, fünf von ihnen stehen nun vor Gericht, wegen Anstiftung zur Unzucht und Gewalt gegen Frauen. Elf Betroffene haben bereits gegen sie ausgesagt.
Dass sich dieses Mal mehr bewegen könnte, ist auch die Hoffnung von Aktivistin Karima Nadir der Initiative „Morrocan Outlaws“, die #metooUniv ins Leben rief. Sie sagt gegenüber „tagesschau.de“: „Die Reaktionen waren unglaublich, bis jetzt erreichen uns Hunderte Geschichten pro Tag über sexuelle Belästigung und Gewalt an Universitäten. Das beweist uns: Es reicht. Es ist Zeit, das mit voller Ernsthaftigkeit anzupacken, damit Schluss ist mit dieser Gewalt gegen Frauen und damit die Universität ein sicherer Ort zum Lernen und Produktivsein wird.“
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Mehr Menschen seien mittlerweile in Marokko für das Thema sensibilisiert und immer öfter nehmen Betroffene das Smartphone zur Hand und dokumentieren Belästigungen, so Nadir. Außerdem: Das Hochschulministerium hat eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen: Betroffene sollen sich ab jetzt anonym an eine Hotline wenden können.
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Bereits seit 2018 gibt es – nach jahrelangen Debatten – in Marokko härtere Strafen für sexuelle Belästigung, Misshandlungen und Missbrauch. Jedoch werden die Strafen nicht umgesetzt, sagt Aktivistin Nadir. „Es ein Problem der gesamten marokkanischen Gesellschaft, die sexistisch ist. Die alles erlaubt und rechtfertigt, was Männer tun, und Frauen für alles Schlechte verantwortlich macht, insbesondere für das, was ihnen selbst widerfährt. Es gibt Gesetze, aber die müssen für Opfer zugänglicher sein“, fordert sie. „Denn solche Dinge existieren nicht nur, weil es perverse Professoren gibt, die sich alles erlauben, sondern wegen des Gefühls der Straflosigkeit und der Komplizenschaft.“