Politisches Klima in der Türkei heizt sich weiter auf – viele Festnahmen
In der Türkei haben erneut Zehntausende Menschen gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu protestiert und die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan zum Rücktritt aufgefordert.
Trotz Demonstrationsverbots gingen den sechsten Abend in Folge Menschen in Istanbul, Ankara und anderen Städten des Landes auf die Straße.
Istanbul: Zehntausende demonstrieren für Freilassung von Imamoglu
Seit Beginn der Proteste wurden laut Innenministerium mehr als 1100 Menschen festgenommen, darunter mindestens zehn Journalisten und Fotografen. Mehr als 120 Polizisten seien verletzt worden. Offizielle Zahlen zu verletzten Protestteilnehmern gibt es nicht. Erdogan bezeichnete die mehrheitlich friedlichen Demonstrationen als „Gewaltbewegung“.
Imamoglu gilt als Erdogans aussichtsreichster politischer Herausforderer bei der für 2028 angesetzten Wahl und wurde von der größten Oppositionspartei als Kandidat aufgestellt. Er war am Mittwoch unter Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen und am Sonntag als Bürgermeister der Millionenmetropole Istanbul abgesetzt worden. Imamoglu selbst bestreitet alle Vorwürfe und wirft der Regierung vor, ihn mit den Ermittlungen politisch kaltstellen zu wollen.
In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten gingen Menschen seit Mittwoch trotz Verboten zu Zehntausenden auf die Straßen. Besonders am Sonntagabend gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Einsatzkräften und Demonstrierenden. Die Polizei setzte Berichten zufolge Wasserwerfer und Tränengas ein.
CHP-Chef will Imamoglu im Gefängnis besuchen
Auch am Montagabend zogen in Istanbul wieder Zehntausende Menschen – darunter viele Studierende – in einem Protestzug zum zentralen Kundgebungsort vor dem Sitz der Stadtverwaltung. Sie schwenkten türkische Fahnen und riefen regierungskritische Parolen. Auf Fernsehbildern waren zahlreiche Bereitschaftspolizisten und Wasserwerfer zu sehen, über Zusammenstöße gab es zunächst aber keine Berichte.
CHP-Chef Özgür Özel würdigte den Einsatz der Demonstranten in einer Rede laut Berichten als „Akt des Trotzes gegen den Faschismus“. Er kündigte demnach an, Imamoglu am Dienstag im Gefängnis von Silivri zu besuchen. Die CHP werde sich dafür einsetzen, dass Imamoglu bis zur Verhandlung freigelassen und sein Prozess live im staatlichen Fernsehsender TRT übertragen werde.
Erdogan nennt Demonstranten „Straßenterroristen“
Erdogan hingegen erhob schwere Vorwürfe gegen die Demonstranten. Offenbar störe es die CHP nicht, dass „Straßenterroristen“ die Polizei mit Steinen, Stöcken und Äxten angriffen. Die Justiz werde sie dafür zur Rechenschaft ziehen.
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Die Demonstrationen der vergangenen Tage sind die größten in der Türkei seit den sogenannten Gezi-Protesten von 2013. Die weitestgehend friedlichen Proteste richteten sich damals zunächst gegen ein Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park und später gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Erdogan. Die Regierung sprach von einem Umsturzversuch und ließ die Proteste brutal niederschlagen. (dpa/mp)
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