Quarantäne & Impfpflicht: Hü, Hott, Corona-Chaos!
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen zentralen Beschluss zu Corona zurückgenommen, den er wenige Stunden zuvor selbst gefällt hatte. Die Kritik ist verheerend. Am Donnerstag könnte das Corona-Chaos einen neuen Höhepunkt erreichen: Der Bundestag stimmt über die Impfpflicht ab. Ausgang völlig offen.
Lauterbach hatte am Montagabend mit den Gesundheitsministern der Länder die Abschaffung der Quarantänepflicht für Infizierte ab dem 1. Mai auf den Weg gebracht (MOPO berichtete). Von Ärzten und Sozialverbänden hagelte es dafür Kritik.
Lauterbachs Kehrtwende um kurz vor Mitternacht
Noch am Dienstagvormittag hatte Lauterbach den Beschluss wortreich verteidigt. Die Gesundheitsämter kämen wegen der hohen Fallzahlen mit dem Anschreiben an Infizierte gar nicht mehr hinterher. Die Abschaffung der Quarantäne-Pflicht ermögliche es den Ämtern, die vunerablen Gruppen besser zu schützen, argumentierte er.
Als Lauterbach am Abend bei Markus Lanz im ZDF saß, überraschte er dann mit der Kehrtwende: Die Abschaffung sei „ein klarer Fehler gewesen“. Er sei dafür „auch persönlich verantwortlich“. Die Reaktionen darauf hätten ihn davon überzeugt, dass dies „psychologisch das falsche Signal“ senden und als Schritt der Lockerung verstanden würde. „Das wäre völlig falsch und würde die Pandemie verharmlosen“, sagte er. „Ich habe den Vorschlag daher zurückgezogen.“ Um 2.30 Uhr am Mittwochmorgen setzte er auch noch einen entsprechenden Tweet ab.
An Rücktritt hat Lauterbach nicht gedacht
Die Opposition stürzte sich umgehend auf Lauterbach. Als „Talkshow-Minister“, bezeichnete ihn Fraktionsvize Sepp Müller (CDU), der „durch sein konfuses Agieren die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzt“. Und weiter: „Ist der Ministerposten eine Gewichtsklasse über ihm?“. An Rücktritt habe er zu keinem Zeitpunkt gedacht, versicherte der Minister, der seit vier Monaten im Amt ist.
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Lauterbach will den Ländern nun einen neuen Vorschlag unterbreiten. Dieser sieht weiterhin vor, dass Kontaktpersonen von Infizierten nicht in Quarantäne müssen. Infizierte selbst müssen sich demnach aber fünf Tage in Isolation geben (bisher: sieben Tage).
Donnerstag Abstimmung über die Impfpflicht
Der Image-Schaden für Lauterbach ist also erheblich. Und der nächste Tiefschlag könnte schon am Donnerstag erfolgen. Nach monatelanger Diskussion wird über eine Impfpflicht abgestimmt. Lauterbach und Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich dafür stark gemacht. Doch eine Impfpflicht ab 18 ist bereits vom Tisch. Eine Mehrheit dafür ist seit längerem nicht mehr in Sicht.
Als Folge hatte zwei Gruppen von Abgeordneten aus der Ampel – der Fraktionszwang ist aufgehoben – einen Kompromiss-Vorschlag erarbeitet. Er sieht eine Impfpflicht ab 60 Jahren vor. Seit Beginn der Woche werben sie dafür bei der Union. Doch die zeigt sich hartleibig: „Das sind verkorkste Kompromisse, die die Koalition machen muss, weil sie sich untereinander nicht einig ist“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Die Union will einen „gestuften Impfmechanismus“, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage in Kraft setzen könnten. Dieser würde auch eine Impfpflicht ermöglichen.
Unterschiedliche Signale aus der Union
Wie sich die Union in den Abstimmungen verhalten wird ist unklar. Im Gesundheitsausschuss des Bundestags sollen Vertreter der Union der Koalition Gesprächsbereitschaft über einen Kompromiss signalisiert haben – was mit großer Begeisterung aufgenommen worden sei, schreibt der „Spiegel“.
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Gleichzeitig berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) von einem Brief des parlamentarischen Geschäftsführers Thorsten Frei (CDU) an alle Unions-Abgeordneten. Tenor: Stimmen Sie nur für unseren eigenen Antrag und widerstehen Sie der Versuchung, anderen Anträgen zuzustimmen, nur um ein Ergebnis zu produzieren. Frei übersetzt heißt das wohl: Die Union will der Ampel unter allen Umständen eine Niederlage beibringen.