Scheitert es kurz vorm Start? Zoff um das 9-Euro-Ticket
Streit kurz vor Abfahrt: Gut zwei Wochen vor dem geplanten Start ringen Bund, Länder und die Branche um die Finanzierung der 9-Euro-Monatstickets für Busse und Bahnen. Steht die sehnlichst erwartete Billig-Fahrkarte auf dem Spiel?
Der Zeitdruck ist groß: Ab 1. Juni sollen die Billigtickets gelten, die Teil eines milliardenschweren Entlastungspakets für die Bürger wegen der hohen Energiepreise sind. Konkret sollen sie im Juni, Juli und August bundesweit Fahrten im Nah- und Regionalverkehr für je 9 Euro im Monat ermöglichen. Schon ab 23. Mai soll der Verkauf bei der Bahn und anderen Anbietern losgehen. Natürlich nur, wenn die politischen Weichen gestellt sind – und über die wird gerade noch gestritten.
9-Euro-Ticket: Kurz vor dem Start gibt’s Streit
Genauer gesagt, um Extra-Geld über die zehn Milliarden Euro hinaus, die der Bund in diesem Jahr regulär für den öffentlichen Nahverkehr an die Länder überweist. Als Ausgleich für Einnahmeausfälle durch das 9-Euro-Ticket soll es 2,5 Milliarden Euro mehr geben. Das entspricht dem Drei-Monats-Anteil, also nur einem Viertel der erwarteten Ticketeinnahmen von zehn Milliarden Euro in diesem Jahr. Und: Die Länder sollen auch die 9 Euro pro Ticket behalten können. Daneben will der Bund 1,2 Milliarden Euro geben, um Verluste in der Corona-Krise auszugleichen, in der Kunden ausblieben.
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Diese insgesamt 3,7 Milliarden Euro reichen den Ländern aber nicht. Einige drohten schon mit einem Nein im Bundesrat am kommenden Freitag. Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) sagte etwa „Bild“: „Keine Zustimmung, solange der Bund keine zusätzlichen Mittel bereitstellt.“ Auf den letzten Metern ist damit ein Milliardenpoker eröffnet. In einer Experten-Anhörung des Verkehrsausschusses machten am Montag auch Verkehrsanbieter Druck für zusätzliche Finanzzusagen. Denn neben Einnahmeausfällen werde absehbar ein Mehraufwand im Betrieb entstehen.
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Die Ampel-Koalition im Bundestag wandte sich gegen Blockade-Drohungen aus den Ländern. SPD-Expertin Dorothee Martin verwies auf eine schon begonnene allgemeinen Qualitäts- und Zukunftsdebatte für den ÖPNV. Nun freuten sich viele Menschen auf das Ticket. Es sei eine große Kraftanstrengung für die Länder und die Verkehrsunternehmen. Ein Scheitern wäre aber kontraproduktiv und würde dem ÖPNV schaden.
Fahrgastverband: „Gibt eine Gerechtigkeitslücke“
Auch vom Fahrgastverband Pro Bahn gab es am Mittwoch Kritik: Viele Pendler würden nicht vom geplanten 9-Euro-Ticket profitieren. „Es gibt ein paar Personengruppen, die vergessen wurden“, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Darunter seien Beschäftigte, die täglich mit dem ICE zur Arbeit fahren, etwa von Berlin nach Wolfsburg, von Köln nach Montabaur oder von Kiel nach Hamburg. Die größte vergessene Gruppe seien Wochenendpendler, zum Beispiel Studenten. „Es gibt eine große Gerechtigkeitslücke“, sagte Naumann. So hielten in Dörfern zu selten Busse, so dass der Umstieg vom Auto vielfach nicht möglich sei. (alp/dpa)