Ein Mann joggt mit Maske durch Sydney.
  • Ein Mann joggt mit Maske durch Sydney.
  • Foto: IMAGO/AAP

Warum im Corona-Vorzeigeland nun die Zahlen steigen – trotz Lockdown

Neidisch schielten die Menschen in Europa nach Down Under: Während bei uns die erste, zweite, dritte Corona-Welle für Hunderttausende Neuinfektionen und monatelange Lockdowns sorgten, wirkte es beizeiten so, als habe es in Australien nie Corona gegeben. Nun aber kehrt sich die Situation ins Gegenteil: Während bei uns die Freiheit zurückkehrt, verschärft sich dort die Lage. Was ist da los?

„Verlassen Sie Ihr Haus nicht“: Die Ansage der Premierministerin des Bundesstaates New South Wales, Gladys Berejiklian, war deutlich. Die Corona-Zahlen seien derzeit „höher, als wir es uns gewünscht hätten“, so Berejiklian. Im Großraum Sydney wurde deshalb nun der Lockdown, der bereits seit dem 26. Juni gilt, verlängert. Die Menschen sollen Zuhause bleiben, die Schulen sind zu, in Supermärkten wird gehamstert.

Australien schloss schon im März 2020 seine Grenzen

Die Behörden sind beunruhigt, da der aktuelle Ausbruch trotz Lockdown nicht kleiner, sondern größer wird. Nun muss man festhalten, dass die Zahlen in Australien im Vergleich immer noch sehr niedrig sind: In ganz New South Wales etwa wurden am Mittwoch 28 Neuinfektionen gemeldet. Aber: Insgesamt gab es diese Woche schon 199 neue Fälle – rund 40 mehr als in der Vorwoche. Und: Bei 21 Fällen (Vorwoche: 5) wissen die Behörden nicht, wie es zu den Ansteckungen kam, sie stehen nicht in Verbindung mit den bisher bekannten Infektions-Clustern.

Berittene Polizei auf Patrouille am Bondi Beach in Sydney. Dort gilt weiter ein strenger Lockdown. (c) dpa
Berittene Polizei auf Patrouille am Bondi Beach in Sydney. Dort gilt weiter ein strenger Lockdown.
Berittene Polizei auf Patrouille am Bondi Beach in Sydney. Dort gilt weiter ein strenger Lockdown.

Das Ganze ist umso erstaunlicher wenn man bedenkt, dass das Land schon im März 2020 seine Grenzen geschlossen hat. Im Gegensatz zu Europa setzte Australien nämlich von Anfang an – ähnlich wie Neuseeland – auf eine „Zero Covid“-Strategie: Man wollte die Inzidenzen nicht nur runterdrücken, sondern das Virus ganz ausrotten. Mit der rigorosen Abschottung, lückenloser Kontaktnachverfolgung und kurzen, harten Lockdowns bei lokalen Ausbrüchen bekam Australien die Pandemie gut in den Griff. Als hierzulande die Sieben-Tage-Inzidenz an Weihnachten bei über 200 lag, betrug sie in Australien 0. Kontaktbeschränkungen gab es keine, Stadien, Strände, Restaurants und Bars waren voll. Ingesamt verzeichnete das Land nur knapp 31.000 Infektionen und 910 Todesfälle.

Delta breitet sich immer mehr in Australien aus

Nun aber nehmen die Zahlen so rasch zu, dass die Behörden nicht hinterherkommen. Schuld daran ist auch Delta: Die Variante hat trotz Abschottung auch Australien erreicht. Anfang Juni gab es nach Monaten ohne Neuinfektionen erste Berichte über einen Ausbruch im Osten Sydneys. Vom Stadtteil Bondi aus breitete sich das Virus aus – da es sich um Delta handelt, mit hohem Tempo. Mittlerweile ist das Bondi-Cluster das größte, das New South Wales je hatte.

Hinzu kommt: In Down Under ist derzeit Winter. Die Menschen halten sich also vermehrt drinnen auf, sodass das Virus leichteres Spiel hat – genau wie bei den beiden bisherigen Corona-Wellen, die das Land in moderatem Ausmaß erlebt hat: die erste im April 2020, als es Down Under Herbst wurde, die zweite im australischen Winter von Juli bis September.

Australien: Knapp 30 Prozent der Bevölkerung ist skeptisch beim Thema Impfen

Eine Rolle spielt auch die niedrige Impfquote. Während in weiten Teilen der Welt ein Kampf um die Vakzine ausbrach, hielt sich Australiens Premier Scott Morrison vornehm zurück. Großbestellungen bei Biontech und Co. tätigte das Land zunächst nicht. Das rächt sich nun: Erst ein Viertel der Bevölkerung hat zumindest einen Piks bekommen, knapp acht Prozent der Australier sind doppelt geimpft.

Ein Mann geht im australischen Brisbane mit Mund-Nasen-Schutz über die Straße picture alliance/dpa/AAP | Darren England
Ein Mann geht im australischen Brisbane mit Mund-Nasen-Schutz über die Straße
Ein Mann geht im australischen Brisbane mit Mund-Nasen-Schutz über die Straße

Aber nicht nur fehlender Impfstoff ist ein Problem – auch die Impfskepsis in weiten Teilen der Bevölkerung: Knapp 30 Prozent der Befragten gaben jüngst in einer Erhebung an, sich nicht oder wahrscheinlich nicht piksen lassen zu wollen. Daran trägt die Regierung wohl eine Mitschuld: Morrison erklärte mehrfach, Impfen gegen Corona sei „kein Wettrennen“. Gesundheitsminister Greg Hunt sprach davon, es sei „ein Marathon, kein Sprint“. Damit vermittelten sie den Eindruck, man habe alle Zeit der Welt – vor allem im Bezug auf Delta eine fatale Fehleinschätzung.

Auch in Australien gab es zudem ein ziemliches Hin und Her, was das Vakzin von Astrazeneca anbelangt. Zunächst empfahl es die Regierung für alle ab 50 Jahren. Dann erst ab 60 Jahren – als bekannt wurde, dass es sehr seltene, gefährliche Blutgerinnsel auslösen kann. Bei der Kommunikation stellten sich die Verantwortlichen nicht allzu glücklich an, was viele Menschen verunsichert hat.

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Deswegen wächst nun der Frust. Denn während in Europa die Urlaubssaison läuft und viele Menschen verreisen, sitzen die Australier fest – im Lockdown und auf einer abgeriegelten Insel.

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