• Vor Gericht verbarg der Angeklagte sein Gesicht unter einer Jacke.
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Sechs Tote bei einem Familientreff: „Auf alles geschossen, was sich bewegt hat“

Ellwangen –

Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt: Ein 27-Jähriger soll im Januar einen Verwandten nach dem anderen erschossen haben. Sechs Menschen sterben. Beim Prozessauftakt zeigt er Reue – und Hass.

Es ist eine gespenstische Szene im Landgericht Ellwangen. Als der Angeklagte den Raum betritt, verstummt das Getuschel der Reporter. Seine Fußfesseln schleifen über den Boden, die Kameras klicken. Der hagere Mann schlurft im Schneckentempo durch den Gerichtssaal, zwei Beamte führen ihn an seinen Platz. Er läuft gebückt, Blick nach unten, als trage er eine Riesenlast auf den Schultern.

Tote bei Familientreffen: 27-Jähriger gesteht Gewalttat in Rot am See 

Mit 30 Schüssen soll der Mann Ende Januar seine Eltern, Halbgeschwister, Onkel und Tante in Rot am See erschossen haben. Zwei Verwandte konnten sich retten. Der Angeklagte spricht selbst von Mord. Aber warum hat er es getan?

Vor Gericht zeichnet er ein düsteres Bild seines Lebens – es geht um Demütigung, Verachtung und ein schwer gestörtes Verhältnis zur Mutter. Die habe ihn verspottet, misshandelt und mit weiblichen Hormonen vergiftet, weil sie sich ein Mädchen gewünscht habe, so der 27-Jährige. Bis zum Ende der Grundschulzeit war er demnach Bettnässer und musste Windeln tragen. Er macht seine Mutter für Fehlbildungen an seinem Geschlecht verantwortlich, weil sie in der Schwangerschaft noch die Pille genommen habe. „Sie hat für mich mein Leben zerstört“, sagt er.

Der 27-Jährige erzählt mit tiefer, klarer Stimme, drückt sich gewählt aus. Sein Abitur schaffte er mit der Note 1,8. 2017 zieht er zum Vater – den er verachte, weil er seiner Mutter hörig gewesen sein soll. Dort schloss er sich den ganzen Tag ein, spielte Computer, installierte Überwachungskameras, hörte Telefonate ab, verriegelte die Tür mit einem Balken  – damit seine Mutter ihn nicht im Schlaf töte, sagt er.

Dann beschließt er, seine Mutter zu erschießen – aus Rache. Auch seine Halbschwester soll sterben, weil sie von der angeblichen Vergiftung gewusst habe.

In dem Attentat stecken drei Jahre Planung

In dem Attentat stecken drei Jahre Planung. Er tritt dem Schützenverein bei, um an eine Waffe zu kommen. Als dann im Januar eine Trauerfeier für die Oma ansteht und die ganze Familie zusammenkommen soll, sieht er seine Zeit gekommen. Er besorgt sich eine Pistole und einen Mietwagen, kundschaftet Friedhof und Kirche aus. Vor der Tat erzählt er seinem Vater, er gehe nach Stuttgart. Dabei versteckt er sich oben im Haus. Als  die Eltern die Treppe hochkommen, lauert er ihnen hinter einer Tür auf.

Er fängt an zu feuern – wieder und wieder. Auf den Vater, den es zuerst trifft. Auf die Mutter, die die Treppe herunterspringt und um Hilfe ruft. Auf den Halbbruder, der noch versucht, sich auf den Schützen zu stürzen, der aber an der Treppe stolpert. Auf Onkel und Tante, die überrascht in die Szene stoßen. Der 27-Jährige schießt immer wieder auf seine Opfer, auch als sie schon am Boden liegen. „Da habe ich auf alles geschossen, was sich bewegt hat.“ Mutter, Vater und Halbschwester richtet er mit einem Kopfschuss hin. 30 Mal feuert er insgesamt, zweimal wechselt er das Magazin.

Angeklagter: „In dem Moment hat sich das angefühlt wie in Zeitlupe“

Der 27-Jährige schildert die Ereignisse als Art unkontrollierten Blutrausch. „In dem Moment hat sich das angefühlt wie in Zeitlupe.“ Er zeigt wenig Emotion, nur stellenweise muss er schluchzen – etwa wenn es um den Tod von Onkel und Tante geht, die er eigentlich nie töten habe wollen, die sich stets liebevoll um ihn gekümmert hätten. Den jugendlichen Sohn seiner Halbschwester lässt er entkommen.  Gestern spricht er im Gericht von Reue. „Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.“

Für eine Anwältin der Nebenkläger, Christina Glück, stehen Kälte, Kalkül und Gier hinter den blutigen Geschehnissen von Rot am See. Das Elternhaus, in dem der Angeklagte wohnte, sollte nämlich an die Halbschwester gehen. Es gehe dem Angeklagten schlicht ums Geld, sagt sie. Deshalb wolle er auch jetzt nicht auf sein Erbe verzichten.

Ob der 27-Jährige psychisch krank ist und welche Motive tatsächlich hinter der Tat stecken, muss nun im Gericht geklärt werden. Ein Urteil könnte am 10. Juli fallen. (mik/dpa)

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