Studie: Offenbar kann Corona-Infektion das Hirn schädigen
Die Folgen, die eine Corona-Infektion mit sich bringen kann, sind in großen Teilen noch unbekannt – und werden derzeit fieberhaft erforscht. Wissenschaftler:innen haben nun in einer neuen Studie herausgefunden, dass es nach einer Covid-19-Erkrankung auch zu einer ausgeprägten Schädigung des Hirngewebes kommen kann. Aber: Die Ergebnisse sind noch mit Vorsicht zu genießen.
Länger anhaltende Riech- und Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, Schwindel sowie Erschöpfungszustände: Alles Nachwehen einer Corona-Infektion, dem „Long Covid“ oder „Post Covid“-Syndrom. Bisher nachgewiesen ist: Virusfragmente können sich im Gehirn breitmachen – und so macht eine Corona-Infektion vor dem zentralen Nervensystem nicht Halt.
„Long Covid“: Britische Forscher:innen sichten Gehirnscans
Mitte Juni erschien dem Preprint-Server „medrxiv“ eine Studie, die den Fokus auf das Gehirn legte. Ausgewertet wurden dafür biomedizinische Daten der britischen „UK Biobank“. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte zunächst darüber berichtet. Die britischen Forschenden der University of Oxford werteten für ihre 38 Monate andauernde Langzeitstudie Gehirnscans von knapp 800 Teilnehmer:innen vor und während der Pandemie aus. 394 von ihnen hatten eine nachgewiesene Corona-Infektion.
Beim Vergleich der Bilder fiel den Wissenschaftler:innen auf: Bestimmte Hirnareale sind nach einer akuten Infektion beeinträchtigt. Wie es in der Studie heißt, ist eine „ausgeprägten Reduktion der Dicke und des Volumens“ des Hirngewebes sichtbar. So war bei den Teilnehmer:innen signifikant das olfaktorische System, das unter anderem für den Geruchssinn relevant ist, und das kortikale System, dass für die Kommunikation mit dem Großhirn, für die Bildung von Gedächtnis und Erinnerung wichtig ist, geschädigt.
Die Forschenden schlussfolgerten: Eine Corona-Infektion könnte auf lange Sicht auch Alzheimer oder andere Formen von Demenz begünstigen. Denn die von den Schäden betroffenen Hirnregionen sind in der Nähe des sogenannten Hippocampus, einer zentralen Schaltstelle im Gehirn, die wiederum relevant für Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis ist.
„Long Covid“: Großer Bedarf an Forschung
Die Studie, die noch von unabhängigen Fachleuten begutachtet werden muss, sollte jedoch noch mit Vorsicht betrachtet werden. Dies räumen die Forschenden selbst ein, denn: Es gebe nur wenige Angaben dazu, ob die Studien-Teilnehmer:innen im Krankenhaus waren, wie der Krankheitsverlauf im Detail war und wie sie behandelt wurden. Vor allem Letzteres ist relevant.
Eine weitere Schwachstelle der Studie: Unklar bleibt, ob die beobachteten Veränderungen im Gehirn eine direkte Auswirkung des Virus sind – oder durch den Verlauf der Erkrankung angestoßen werden. Hierzu bedarf es weiterer Untersuchungen, wie die Forschenden einräumen.
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Ähnlich wie schon zahlreiche vorherige Studien zeigen, ist der Bedarf nach Erklärungen für bleibende Symptome und Leiden nach einer Corona-Infektion groß. Symptome, die mehr als vier Wochen seit Krankheitsbeginn bestehen, bezeichnen Fachleute als „Long Covid“, was inzwischen ein eigenes Krankheitsbild gilt. Anfang Juni wurde bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss darüber diskutiert, ob „Long Covid“ als Berufskrankheit anerkannt werden sollte. Mediziner:innern sprachen im Ausschuss davon, dass allein in Deutschland rund 370.000 Menschen an den Spätfolgen von COVID-19 litten – unter ihnen viele junge Menschen.
Vom RKI heißt es zu den bereits vorliegenden Studien: Es gebe noch keine verlässlichen Einschätzungen dazu, wie viele Menschen nach einer Corona-Infektion von „Long Covid“ betroffen sind, welche Faktoren das Auftreten befördern oder auch davor schützen. „Ebenso limitiert ist das Wissen zum Krankheitsverlauf, etwa hinsichtlich der Dauer der verschiedenen Symptome und der Häufigkeit bleibender Schäden“, resümiert das RKI den – derzeit noch sehr vagen – Forschungsstand. (alp)