Dass Viren mutieren, ist normal – was zuletzt auch Omikron und Co. zeigten.
  • Dass Viren mutieren, ist normal – was zuletzt auch Omikron und Co. zeigten.
  • Foto: IMAGO / IlluPics

Wie gefährlich ist die Super-Mutation „Deltakron“ wirklich?

Wie gefährlich ist das Schreckgespenst „Deltakron“ wirklich? Anfang des Jahres wollten zunächst Forscher aus Zypern den Nachweis einer Kombination der beiden Sars-CoV-2-Varianten Delta und Omikron gefunden haben. Rasch stellte sich heraus, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Irrtum wegen einer Verunreinigung im Labor handelte. Mittlerweile häufen sich aber wieder Berichte über „Deltakron“-Fälle. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Was sagt die WHO?

Die Weltgesundheitsorganisation beobachtet eine sogenannte Rekombinante aus je einem Subtyp von Delta (AY.4) und Omikron (BA.1). Das Fachkürzel dafür lautet XD. Erste Proben stammen aus Frankreich und sind von Januar. Für Deutschland spricht das Robert Koch-Institut (RKI) auf Anfrage von einem bestätigten Fall und verweist auf weitere Beschreibungen in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden.

Von der WHO hieß es, es gebe bisher keine Anzeichen einer guten Vermehrung. Die Beobachtung durch die WHO bedeutet nicht, dass XD als besorgniserregend oder von Interesse eingestuft ist. Sie hat folglich bisher keinen eigenen Namen bekommen. Die in Medien teils gängige Bezeichnung Deltakron wird von der WHO ausdrücklich nicht verwendet.

Experte: Virus-Rekombinationen waren vorhersehbar

Was spricht gegen die Bezeichnung Deltakron?

Für Fachleute ist der Begriff sehr ungenau und eher nur zur Veranschaulichung geeignet. Denn er wurde zuletzt nicht nur für XD genutzt, sondern für unterschiedliche Mischformen aus Delta und Omikron. Es sei „keine hilfreiche Bezeichnung, da unklar ist, welche Rekombinante gemeint ist und in dem Begriff ein Alarmismus mitschwingt, für den es keinen guten Grund gibt“, sagte etwa der Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, Richard Neher.

Wie entstehen solche Mischformen?

Das Phänomen kommt keineswegs überraschend. „Dass es solche Rekombinanten von Sars-CoV-2 geben wird, war vorherzusehen. Dazu kann es immer dann kommen, wenn zwei Varianten gleichzeitig kursieren: Infiziert sich ein Mensch zum Beispiel mit Delta und Omikron gleichzeitig, kann es in einer doppelt befallenen Wirtszelle zum Austausch von Viruserbgut kommen“, sagte der Virologe Friedemann Weber (Justus-Liebig-Universität Gießen). Das gilt aber als relativ selten. Neben Mischformen aus Delta und Omikron sind laut Experten auch solche aus den Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2 aufgetaucht.

Die aktuellen Nachweise haben auch damit zu tun, dass sich das Virus mit zunehmender Zahl an Infektionen immer mehr verändert hat. Bei den genetisch sehr ähnlichen Varianten aus der ersten Pandemiephase sei es schwierig gewesen, Rekombinationen aufzuspüren, schreiben französische Forscher in einem Preprint zu Fällen in Südfrankreich.

Mischform XD wohl nicht ansteckender als Omikron

Droht sich die Pandemie durch Mischvarianten zu verschlimmern?

„Es wäre falsch anzunehmen, dass solche Rekombinanten zwangsläufig Horrorvarianten sind, die die schlimmsten Eigenschaften der Ursprungsvarianten vereinen“, sagte Weber. Der derzeit in Deutschland vorherrschende Omikron-Subtyp BA.2 sei fast schon so ansteckend wie Masern – viel mehr zulegen könne das Virus da kaum noch. „Omikron wird zwar oft mit milderen Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht, aber inwieweit das auch bei älteren Ungeimpften gilt, muss sich erst noch zeigen.“

Virologe Peacock schrieb, dass von den bisher beobachteten Rekombinanten nur XD vielleicht etwas mehr Sorge bereite. Falls sich überhaupt eine dieser Mischformen anders verhalten sollte als ihre Ursprungsvarianten, könne es XD sein.

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Was ist jetzt zu tun?

„In einigen Fällen traten solche Rekombinanten nur in begrenzten Ausbrüchen auf. Andere scheinen im Moment linear anzusteigen, aber glücklicherweise noch nicht exponentiell. Dies muss man beobachten und auch ernst nehmen“, fasste Virologe Christian Drosten in einem „Zeit“-Interview von Mittwoch die Lage zusammen.

Wie gut werden Varianten bei den aktuell hohen Fallzahlen überwacht?

In Deutschland wird nur bei einem sehr kleinen Teil aller positiven Befunde eine vollständige Erbgutanalyse vorgenommen und den Laboren vergütet. Bei voller Auslastung sequenzierten die Labore aus Kapazitätsgründen sogar weniger als fünf Prozent der Proben, sagte die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum in Frankfurt. Seltene Virusvarianten würden also nur durch Zufall entdeckt. Sie bedauert zudem, dass die variantenspezifische PCR mit der kürzlich geänderten Testverordnung gestrichen worden sei: Mit dem Verfahren ließen sich Auffälligkeiten aufspüren, was bereits zum Fund einiger seltenerer Virusvarianten geführt habe. (mp/dpa)

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