Teuer, aber wichtig: Für wen sich eine Berufsunfähigkeits-Versicherung lohnt
Zu krank, um im gewählten Job dauerhaft arbeiten zu können? Für die meisten Menschen ein finanzielles Desaster – die Berufsunfähigkeitsversicherung soll da schützen. Einige Fakten für Interessierte.
Brauche ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) oder nicht? „Wir empfehlen den Abschluss, weil die Absicherung der Berufsunfähigkeit existenziell wichtig ist“, sagt Kerstin Hußmann-Funk, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Meist sei es sinnvoll, die Versicherung schon in jungen Jahren abzuschließen. Die Frage ist aber für viele: Kann ich mir auch eine BU leisten? Denn gerade Studenten oder Berufsanfänger haben meistens nicht viel Geld übrig. Auf der anderen Seite sind die Beiträge deutlich geringer, wenn man eine Police jung abschließt.
Wovon hängt die Höhe meiner BU-Beiträge ab?
Grundsätzlich gilt: Eine BU zahlt eine vorher vereinbarte Rente, wenn der Versicherungsnehmer wegen einer Krankheit oder eines Unfalls voraussichtlich für mindestens sechs Monate oder länger ausfällt – also seinen Beruf gar nicht mehr oder zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausüben kann.
Die monatliche Beitragshöhe ist individuell. Wichtige Aspekte sind dabei: Alter, Beruf, Gesundheitszustand, vereinbarte Rentenhöhe und Vertragsdauer. Entscheidend ist also auch, wie viel Rente ich im Ernstfall bekommen möchte und bis zu welchem Endalter die Versicherung greifen soll. Je höher beides ist, desto höher sind die Beiträge.
Außerdem geht es darum, für wie wahrscheinlich der Versicherer das Risiko einer Berufsunfähigkeit hält. „Es gibt auch Berufe, die sind faktisch nicht versicherbar“, sagt Constantin Papaspyratos, Chefökonom beim Bund der Versicherten. Dazu gehörten etwa Flugbegleiter oder Berufsfeuerwehrleute.
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Hohe Beiträge zahlen aber auch Menschen, die Berufe mit hohem Stresspotenzial ausüben, etwa Pflegekräfte. „Der Versicherer fragt nach dem aktuellen Beruf“, erklärt Constantin Papaspyratos. „Er möchte genau wissen, welche berufliche Tätigkeit Sie ausführen.“
Was muss ich bei den Gesundheitsfragen beachten?
Es gibt eine ganze Reihe von Gesundheits- und Risikofragen. „Dieser Punkt hat es in sich, und da läuft auch viel schief“, warnt der Chefökonom. Abgefragt werden für bestimmte zurückliegende Zeiträume die gesamte Gesundheitshistorie sowie Freizeitaktivitäten – also etwa Kampfsport oder Motorradfahren, aber auch Rauchen und Betäubungsmittel.
„Da müssen Sie ganz genau lesen und beantworten“, rät Constantin Papaspyratos. „Denn wenn Sie später einmal BU-Rente beantragen wollen, wird der Versicherer prüfen, ob sie vollständig und wahrheitsgemäß geantwortet haben.“ Schlimmstenfalls kann rückwirkend der Versicherungsschutz flöten gehen.
Wie hoch sollte meine vereinbarte BU-Rente sein?
„Eine BU macht nur Sinn, wenn ich mich vernünftig absichere“, sagt Kerstin Hußmann-Funk. Das heißt, wer berufsunfähig wird, sollte dank BU in die Lage sein, seinen Lebensstandard zu halten – und zwar ohne, dass man in staatliche Hilfesysteme abrutscht.
Die Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt als Faustregel für die BU-Rentenhöhe 80 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens. Für Berufsanfänger oder Studenten werden in der Regel mindestens 1500 Euro als Absicherungshöhe empfohlen. Nach oben sind durchaus Grenzen gesetzt, die meist der Versicherer selbst festlegt. „Die liegen oftmals bei 60 bis 70 Prozent des letzten Bruttogehalts“, sagt Constantin Papaspyratos.
Und wie lange sollte die Vertragsdauer sein?
„Am besten bis zum tatsächlichen Renteneintrittsalter“, rät Kerstin Hußmann-Funk. Also zum Beispiel bis 67 Jahre, wenn man ab diesem Zeitpunkt Altersrente erhält. Möglich ist auch ein mitwachsendes Modell, das einige Policen beinhalten. „Sollte sich das Renteneintrittsalter noch mal verschieben, dann wächst die Vertragsdauer sozusagen mit.“
Zwar verteuert eine längere Laufzeit in der Regel die Prämie. Mit zunehmendem Alter steigt aber auch das Risiko, berufsunfähig zu werden. „Wenn man nicht über ausreichend hohe Rücklagen verfügt, kann eine Lücke zwischen Ende einer BU-Rente und der Altersrente existenziell sein“, so die Verbraucherschützerin.
Lohnt sich eine Beitragsdynamik?
Beide Experten raten zu einer Beitragsdynamik. Das heißt, dass sich die monatlichen Beiträge jedes Jahr erhöhen – „das sind in der Regel drei bis vier, maximal fünf Prozent“, sagt Kerstin Hußmann-Funk. Dafür wächst aber natürlich auch die BU-Rente, die man im Ernstfall erhält.
Zudem gibt es die Option, phasenweise auszusetzen – das heißt, der Versicherer muss die Beiträge nicht jedes Jahr erhöhen. „Die Dynamik wird vorab angekündigt, und Sie können widersprechen“, erklärt Constantin Papaspyratos. „Sie müssen bei den meisten Verträgen jedes dritte Mal erhöhen, aber bei neueren Verträgen können Sie sogar beliebig oft widersprechen und dann wieder einsteigen.“
Kann ich bei einer BU die vereinbarte Rente später noch aufstocken?
Ja, die sogenannte Nachversicherungsgarantie ist laut Constantin Papaspyratos in allen neuen Verträgen enthalten. „Sie haben bis zu einem gewissen Alter, zum Beispiel 50 Jahre, die Möglichkeit, Ihre BU-Rente in einem Schritt um einen größeren Betrag zu erhöhen, etwa um 500 Euro“, sagt der Chefökonom.
Oft sei das aber an bestimmte Anlässe gebunden, wie eine Hochzeit, Scheidung, Elternschaft oder Gehaltssteigerung. Hier unterscheiden sich die Versicherer mit den aufgeführten Anlässen. Tipp: Schauen Sie, was für Sie überhaupt zutreffen könnte.
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Innerhalb einer Frist von sechs bis zwölf Monaten kann dann nachversichert werden. Die Versicherer verzichten in dem Fall darauf, erneut wieder Gesundheitsfragen zu stellen. „Es kann aber vorkommen, dass er noch einmal Risikofragen stellt, also etwa, ob man inzwischen Motorrad fährt“, so Constantin Papaspyratos. Und natürlich erhöhen sich mit der Aufstockung der Rente die monatlichen Beiträge.
Wie finde ich den richtigen Versicherer?
Grundsätzlich bieten laut der Verbraucherschützerin alle großen Versicherer in Deutschland gute BU-Tarife an. Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht könne es aber große Unterschiede zwischen den Anbietern geben. Daher der Rat: „Prüfen Sie beim Vergleich der Policen den genauen Leistungsumfang.“ Einen ersten Überblick zu passenden Tarifen erhält man etwa bei der Stiftung Warentest, die anders als viele andere Vergleichsportale keine Provision für ihre Vermittlung kassiert.
Kerstin Hußmann-Funk gibt zu bedenken: Entscheidend sei jedoch weniger, bei welchem Anbieter man am Ende landet, sondern ob man eine Police bekommt. Denn zum Teil lehnen Versicherer Antragsteller etwa wegen einer Vorerkrankung ab.
„Das sollte man unbedingt vermeiden, denn wenn mich erst ein Versicherer abgelehnt hat, dann werde ich auch keinen anderen mehr finden, der mich gegen BU versichert“, erklärt die Versicherungsexpertin. Deshalb ist es wichtig: Zuerst auf jeden Fall nur eine Risikovoranfrage zu stellen. Das ist sozusagen ein Antrag auf Probe. Kommen dann noch zwei bis drei Versicherungen infrage, kann man nach dem Preis und der gebotenen Leistung auswählen.
Wer hilft mir, eine BU zu bekommen?
Hilfe dabei bieten etwa Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler sowie Versicherungsberater an. Die Unterschiede: Beim Versicherungsvertreter kann man nur Versicherungen bei dem Unternehmen abschließen, für das er arbeitet. Der Versicherungsmakler berät übergreifend. Beide Beratungen sind zunächst kostenlos, die Provision schlägt sich aber später in etwas höheren Beiträgen nieder.
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Versicherungsberater werden hingegen vom Kunden direkt in Form eines Honorars bezahlt. So ist sicher, dass sich ihre Empfehlungen nicht an der Höhe der Provision orientieren und daher unabhängig im Sinne des Verbrauchers sind. Auch Verbraucherzentralen beraten, indem sie Angebote checken und bei der Auswahl helfen.