Tiktok-Shop: Drastische Warnungen zum Start – diese Firmen sind dabei
Tiktok-Nutzer in Deutschland dürfen sich auf etwas gefasst machen. In wenigen Tagen verwandelt sich die Video-App, dann wird man darin auch einkaufen können. Der Shop soll am kommenden Montag starten, wie das Unternehmen bekannt gab. Die Tiktok-App ist hierzulande schon länger erhältlich, die Shopping-Funktionen sind aber jetzt erst verfügbar.
Bereits heute entdecken demnach 67 Prozent der Nutzer Produkte und Marken auf Tiktok. Max Burianek, der für den deutschen Tiktok-Shop verantwortlich ist, sagt: „Der Shop führt das jetzt zu einem nahtlosen Erlebnis zusammen.“
„Tiktok kann den Onlinehandel revolutionieren“
Tiktok ist eine der größten Social-Media-Plattformen und gehört dem Konzern Bytedance, der seine Zentrale in China hat. Sie funktioniert so: Ein Algorithmus entscheidet, welche Videos die Nutzer angezeigt bekommt. Er lernt unter anderem daraus, welche Clips sie sich angesehen haben, um ähnliche Beiträge auszuwählen. Nutzer können kurze Videos erstellen, teilen und bald auch Produkte kaufen, die in Videos oder Livestreams präsentiert werden.
„Tiktok kann den Onlinehandel revolutionieren“, sagt die E-Commerce-Expertin Karolin Junker de Neui von der Digitalberatung Etribes. Die Onlineshops von Amazon & Co. seien für Kunden häufig wenig inspirierend und deckten lediglich die Bedarfe. „Bei Tiktok ist das anders. Dort werden mir Produkte auf Basis meines Nutzungsverhaltens vorgeschlagen. Das ist wie bei einem Einkaufsbummel. Ich muss nicht suchen, ich werde auf Dinge gestoßen, von denen ich vorher noch gar nicht wusste, dass ich sie brauche.“
Expertin: „Ein echter Gamechanger“
Händler und Hersteller können ihre Produkte auf der Plattform vermarkten und anbieten. Der gesamte Kaufprozess ist in die App integriert, die Zahlungsdaten sind hinterlegt, eine Verlinkung zum Shop des Anbieters ist anders als bei Instagram oder Facebook nicht nötig. „So etwas hat es bisher nicht gegeben. Das ist ein echter Gamechanger“, sagt Junker de Neui. Neu sei auch das Live-Shopping-Erlebnis. Sie ist sich sicher: Wenn das Potenzial gut genutzt wird, könne es kommerziell nur erfolgreich sein.
Das Potenzial ist groß. 24,2 Millionen monatliche Nutzer hatte Tiktok nach eigenen Angaben in Deutschland zuletzt. Bei den sozialen Netzwerken belegt die Plattform hierzulande den 4. Rang hinter Whatsapp, Instagram und Facebook. In keinem anderen Portal verbringen die Menschen so viel Zeit: im Schnitt knapp 35 Stunden im Monat. Tiktok gelinge es, seine Nutzer lange in der App zu halten, sagt Ralf Deckers vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). „So bleibt viel Zeit, um die Menschen zu bespielen und Kaufanreize zu schaffen.“
Inspiration für die Konkurrenz?
In anderen Ländern wie zum Beispiel in den USA und Großbritannien kann bereits seit längerem in der App eingekauft werden, in Irland und Spanien seit Ende 2024. In Großbritannien ist der Shop 2021 gestartet. Statistiken des Marktforschers NIQ zeigen, wie schnell er gewachsen ist. Mit einem Marktanteil von 4,7 Prozent war Tiktok im vierten Quartal 2024 schon der drittgrößte Onlinehändler. Die stärksten Kategorien sind Beauty, Bekleidung und Haushaltsprodukte.
Und in Deutschland? Eine in diesem Monat durchgeführte repräsentative YouGov-Befragung unter 3000 Menschen ab 18 Jahren zeigt: Nur vier Prozent der Menschen hierzulande, die Tiktok kennen, können sich vorstellen, in dem neuen Onlineshop einzukaufen. 18 Prozent antworteten mit „vielleicht“, 73 Prozent mit „Nein“. Die App ist demnach vor allem bei Personen unter 25 Jahren populär. Knapp 60 Prozent nutzen es häufig oder gelegentlich, bei Älteren liegen die Werte deutlich niedriger. Experte Deckers sieht darin eine Wachstumsbarriere für den Shop. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass mittelalte und ältere Menschen künftig massenhaft bei Tiktok kaufen werden.“
Kreditkartennachweis kein verlässlicher Schutzmechanismus
Kann Tiktok eine ernsthafte Konkurrenz werden für die großen Onlinehändler? „Amazon ist der absolute Platzhirsch und wird so schnell nicht vom Thron gestoßen werden“, sagt Deckers. Aber Tiktok werde Druck machen, den Amazon spüren und der Marktanteile kosten werde. Deckers rechnet damit, dass die etablierten Onlineportale – ähnlich wie zuletzt bei Temu – sich von Tiktok inspirieren lassen und etwa Elemente des Live-Shoppings übernehmen.
Gute TikToker gelten als besonders einflussreich – vor allem bei jungen Nutzerinnen und Nutzern. Influencer zeigen Produkte, die dann direkt über die App gekauft werden können. „Das heißt die Kinder werden eingenommen von dieser Lebenswelt“, warnt Medienpädagogin Nicola Vogel gegenüber „zdfheute“.
Datenverarbeitung könnte höchstproblematisch sein
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Thomas Fuchs sieht die Entwicklung ähnlich kritisch: „Aus datenschutzrechtlicher Perspektive bin ich sehr, sehr skeptisch.“ Zwar ist der Einkauf laut AGB erst ab 18 erlaubt, doch die Altersprüfung erfolgt unter anderem über die Frage, ob der Nutzer eine Kreditkarte besitze. „Die gehören in Deutschland aber inzwischen schon zu fast jedem Juniorkonto“, sagt Fuchs, und seien so kein verlässlicher Schutzmechanismus.
Besonders problematisch sei die Verknüpfung von Nutzungsdaten mit Einkaufsverhalten. „Das eröffnet eine neue Dimension der Datenverarbeitung“, warnt Fuchs eindringlich.
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Trotz Datenschutzbedenken sind namhafte Unternehmen bereits beim Start des Tiktok-Shops dabei, darunter der Buchhandel Thalia oder die Hamburger Großkonzerne Beiersdorf und About You (Teil der Otto Group). Letzteres plant etwa Live-Modenschauen innerhalb der App – ein modernes Verkaufsfernsehen mit Suchtfaktor. (dpa/apa)
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