Tod bei „Blackout Challenge“: Italien trauert um Antonella (10) – trägt Tiktok Schuld?
Palermo –
Sie starb auf der Jagd nach Tiktok-Klicks: Der Tod der zehnjährigen Antonella aus Palermo erschüttert ganz Italien. Das Mädchen erstickte sich selbst mit einem Gürtel. Wie viel Schuld trägt das Netzwerk?
Es sollte wohl eine Mutprobe werden, doch sie endete für Antonella tödlich: Die Zehnjährige brachte sich selbst um – vermutlich beim Versuch, die sogenannte „Blackout Challenge“ auf Tiktok nachzuahmen. Doch nicht nur Antonellas Tod sorgt für einen Mega-Aufschrei und heftige Attacken auf die Videoplattform: Die Corona-Pandemie mit ihren Kontaktsperren lässt die Angst vieler vor dem Abdriften der Kinder in soziale Netzwerke wie Tiktok wachsen. Auch, weil die Nutzer immer jünger werden.
Tiktok-App: Sicherheit der Nutzer habe „oberste Priorität“
Italiens Datenschutzbeauftragte Guido Scorza sprach am Sonntag von möglichen Millionen-Bußen gegen Tiktok, wenn das Unternehmen das Alter der Nutzer nicht besser kontrolliere. Die Behörde habe der Plattform, die aus China kommt und Jugendliche rund um den Globus begeistert, ein Ultimatum bis zum 15. Februar für eine endgültige Lösung gestellt, unterstrich er in der Zeitung „La Repubblica“. Am Freitag hatten die Aufpasser die sofortige Sperrung aller Tiktok-Konten verlangt, bei denen das Alter der Nutzer nicht „mit Sicherheit“ feststeht.
Tiktok erklärte, man prüfe den Vorgang. Sicherheit habe „oberste Priorität“, zitierten Medien das Unternehmen. Zugleich hieß es, die Plattform habe keine Aufforderungen zu den Mutproben, also „Challenges“, bei sich gefunden, die im Fall Antonellas eine Rolle spielen sollen.
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Das Mädchen aus Sizilien hatte nach Berichten vergangene Woche an einer „Blackout Challenge“ oder „Hanging Challenge“ mitmachen wollen. Das habe eine Schwester erzählt. Dabei strangulieren sich Teilnehmer, filmen das und laden die Bilder mit dem Smartphone hoch. Die Ermittlungen der Polizei, die auch die Handydaten prüfen wollte, liefen noch.
Streit um Tiktok-Challenge: Altersgrenzen sollen helfen
Zur Möglichkeit, dass der Anstoß zu dem tödlichen Vorfall aus anderen Sozialen Netzwerken stammen könnte, sagte Datenschützer Scorza: „Bei Tiktok ist bereits ein anderes Verfahren wegen mangelnder Beachtung des Schutzes und der Privatsphäre von Minderjährigen anhängig.“ Es ging am 22. Dezember 2020 an die Betreiber. Italiens Datenschützer wiesen die Betreiber darauf hin, dass unter 14-Jährige das Okay der Eltern für die Netzwerke brauchten. Tiktok schreibt ein Mindestalter von 13 Jahren vor.
Fachleute stritten am Wochenende, wie und ob die Alterskontrollen überhaupt funktionieren sollen. Viele Kinder machen sich bei der Anmeldung älter. Einige Experten argumentierten, die Anbieter könnten am Verhalten der Nutzer das Alter ermitteln – wenn sie es wollten.
Vater des Mädchens: Sie hat die Welt von Tiktok geliebt
Parallel zur Debatte um Tiktok kam ein Karussell von Schuldzuweisen und Erklärungsversuchen in Gang. Wen trifft Verantwortung? Eltern? Das soziale Umfeld? Den Gesetzgeber? Lehrerin Loredana Saieva erzählte, sie habe der Klasse Antonellas erklärt, dass „die Technologie, die wir seit fast einem Jahr so oft für Fernunterricht verwenden, nur dann gut ist, wenn sie mit Hilfe von Erwachsenen zum Lernen verwendet wird.“ Leider dürfen die Kinder sich wegen Corona nicht umarmen, sagte sie „La Repubblica“. „Wir haben zusammen geweint.“
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Der Vater der Toten gab ebenfalls Interviews. Er sagte, seine Tochter habe die Welt von Tiktok, Youtube & Co. geliebt. Er habe ihr vertraut, und sie habe davon erzählt. „Meine Tochter liebte es, zu tanzen und zu singen. Sie war auf der Suche nach Likes und Followern, und ich hätte nie gedacht, dass sie so ein Spiel mitmachen würde.“
Der Jugend-Psychiater Stefano Vicari aus Rom mahnte, dass es gute Gründe gebe, dass Kinder unter zwölf Handys nicht alleine nutzen sollten. Netzwerke für sich genommen seien aber nicht an Aggressionen gegen den eigenen Körper Schuld.
Experte: Social-Media ist leicht zu beschuldigen
„Tiktok wird in Italien nach meinen Analysen jeden Monat von etwa zehn Millionen Menschen verwendet. Es ist ein Ausdrucksmittel besonders für die Jüngsten“, erläuterte der Sozial-Media-Experte Vincenzo Cosenza der Deutschen Presse-Agentur. „Die Tiktok-Videokamera repräsentiert so etwas wie den Spiegel ihres Zimmers, einen Bildschirm, um sich auszudrücken und mit der Welt in Austausch zu kommen.“
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Das Unternehmen suche mit digitalen Methoden und mit Menschen nach gefährlichen Inhalten. Aber man finde nicht alles. Auch wenn der Zusammenhang zwischen dem Tod des Kindes und Tiktok erst noch nachzuweisen sei: „Social Media ist leicht zu beschuldigen“, urteilte er. Cosenza mahnte, „das Problem ohne Alarmismus“ anzugehen. „Die Technologieunternehmen müssen sich bemühen, aber die Schulung zum richtigen Umgang mit dem Netz muss in der Familie beginnen.“ (dpa)