Trotz Impfkampagne: Darum verbreitet Delta sich so schnell
Als hätte die Ursprungsversion des Coronavirus nicht schon genug Leid gebracht, ist das Virus mutiert – und damit noch gefährlicher geworden. Im Oktober wurde B.1.617.2 – die Delta-Variante – zum ersten Mal in Indien nachgewiesen. Heute ist sie in nahezu allen Ländern die dominierende Coronavirus-Variante. Doch warum verbreitet sich Delta so rasend schnell?
71,6 Prozent der Corona-Infektionen in Deutschland lassen sich laut „statista.de“ mittlerweile auf B.1.617.2 zurückführen (Stand 21. Juli). Noch krasser sieht es in Dänemark aus: Dort sind es bereits 88 Prozent. Im besonders betroffenen Vereinigten Königreich sind sogar schon 99,2 Prozent der Corona-Infektionen Delta-Fälle.
Bei Delta ist die Viruslast viel größer
Es sind verschiedene Faktoren, die die Ausbreitung der Delta-Variante so begünstigen. Zwei davon wurden im Rahmen einer Studie im chinesischen Guangzhou entdeckt. Die Forscher testeten 62 Menschen, die sich nach dem Kontakt mit einer mit der Delta-Variante infizierten Person in häuslicher Quarantäne befanden, mit PCR-Tests auf Corona.
Die Probanden mit positiven Testergebnissen wurden anschließend auf ihre Viruslast untersucht. Heraus kam: Diese war bis zu 1260 Mal höher als bei der Ursprungsvariante des Coronavirus. Das bedeutet, dass mit Delta infizierte Personen deutlich ansteckender sind als mit Alpha infizierte.
Delta-Infizierte früher ansteckend als beim Wildtyp
Das zweite Studienergebnis bezieht sich auf die Inkubationszeit. Sprich: Wie schnell ist ein Patient nach seiner Infektion ansteckend. Auch hier ist Delta deutlich effizienter als sein Vorgänger: Im Durchschnitt fiel der PCR-Test bei den Probanden mit der Mutation bereits nach vier Tagen positiv aus. Bei der Ursprungsvariante waren es noch rund sechs Tage gewesen. Auch das Robert-Koch-Institut spricht – gestützt auf verschiedene Studien – mittlerweile von einer durchschnittlichen Inkubationszeit von vier Tagen.
Das könnte Sie auch interessieren: Zukunft mit Corona: Experte erklärt: So geht es in den nächsten Monaten weiter
Die Ergebnisse der Studie aus China wurden allerdings noch nicht von unabhängiger Seite begutachtet und sind daher noch mit Vorsicht zu genießen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht sie immerhin als Hinweis.
Delta fühlt sich häufig an wie eine einfache Erkältung
Ein weiterer Trick der Delta-Variante ist die Ausprägung der Symptome. Die fühlen sich dem Virologen Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum zufolge nämlich viel häufiger an wie die einer normalen Erkältung – „also eine laufende Nase oder ein kratzender Hals – auch ohne Husten“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). Zwar tritt auch bei Delta häufig Fieber auf, aber der so typische Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn wird bei der Mutation viel seltener registriert.
Das könnte Sie auch interessieren: Studie zeigt: So lange können Covid-Erkrankte nichts riechen
Das führt dazu, dass vor allem junge Menschen, die ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf haben, sich nicht testen lassen, weil sie eine einfache Erkältung als Ursache für ihre Beschwerden vermuten. So werden Infektionen häufig nicht erkannt – und das Virus kann sich schneller ausbreiten. „Umgehend sollten Geimpfte zum Test greifen, wenn sie typische Symptome spüren“, appellierte Binder daher im Interview mit dem „RND“.
Lauterbach: „Delta ist ansteckender und tödlicher“
Besonders tückisch an der Delta-Variante ist außerdem, dass sie das Risiko für schwere Verläufe, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle erhöht. Einer Studie aus Kanada zufolge erhöht B.1.617.2 das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt um 120 Prozent, das für eine Verlegung auf die Intensivstation sogar um 287 Prozent. Und das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, ist um 137 Prozent höher als beim Wildtyp.
Eine eindeutige Erklärung gibt es dafür bisher nicht. Doch auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Donnerstag: „Nach allem, was wir bisher wissen, müssen wir davon ausgehen, dass die Delta-Variante sowohl ansteckender als auch tödlicher ist.“
Immune-Escape: Die Impfung schützt weniger vor Delta
Die große Hoffnung in der Pandemie sind die Impfungen. Doch können die auch vor Delta schützen? Auch da kommen Forscher zu einem ernüchternden Ergebnis. Denn die in Deutschland verimpften Vakzine der Unternehmen Biontech&Pfizer, Moderna, Johnson&Johnson und Astrazeneca schützen zwar alle vor einer Erkrankung infolge einer Infektion mit der Delta-Variante. Aber sie schützen längst nicht so gut wie beim Wildtyp, besonders nicht nach der ersten Impfung. Schuld daran ist eine Mutation des Genoms von SARS-CoV-2 mit dem Namen „L452R“. Sie führt zu einem sogenannten Immune-Escape: Der menschliche Immunschutz kann dann trotz Impfung oder Genesung überlistet werden.
Das könnte Sie auch interessieren: Heftige Nebenwirkungen: Corona-Impfung: Das sollten starke Allergiker vorher wissen
So hat Delta es geschafft, zur vorherrschenden Variante zu werden – und die Infektionszahlen in den meisten Ländern wieder nach oben zu treiben. Auch in Deutschland, wo die Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI seit zweieinhalb Wochen kontinuierlich steigt und bundesweit mittlerweile bei 13,8 liegt (Stand 25.7.21). Damit trifft Delta die Welt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – schließlich wird gerade angesichts des Sommers und der Pandemiemüdigkeit der meisten Menschen gelockert, was das Zeug hält. Und das unterstützt Delta auf seinem Vormarsch. (prei)