Bundeswehr-Kommandeurin Anastasia Biefang klagt vor dem Bundesverfassungsgericht.
  • Bundeswehr-Kommandeurin Anastasia Biefang klagt vor dem Bundesverfassungsgericht.
  • Foto: dpa

Verweis wegen Tinder-Profil: Transgender-Offizierin klagt vor oberstem Gericht

Millionen Nutzer:innen weltweit suchen über Tinder nach unverbindlichem Sex – auch die Bundeswehrkommandeurin und Trans-Frau Anastasia Biefang. Doch ihrem Arbeitgeber ging das zu weit, Biefang bekam für ihr Dating-Profil einen Verweis. Nach mehreren Instanzen hat sie sich nun bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt, um für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu kämpfen.

„Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome“: Mit diesen Worten suchte Biefang, die die erste transsexuelle Kommandeurin der Bundeswehr ist, 2019 nach gleichgesinnten Kontakten in der Dating-App. Zu offensiv für die Bundeswehr, der illegal ein Screenshot von Biefangs Profil zugespielt wurde. Was folgte: ein Disziplinarverfahren gegen die 48-Jährige, die in offener Ehe mit einer Frau verheiratet ist. In ihrer damaligen Position als Kommandeurin eines Informationstechnikbataillons hatte sie das Kommando über 700 Soldat:innen.

Anastasia Biefang klagt vor Bundesverfassungsgericht

Biefang wehrte sich gegen die Disziplinarmaßnahme. Doch sowohl das Truppendienstgericht als auch die Verwaltungsrichter:innen bestätigten den Verweis. Biefang dürfe ihre Worte nicht so wählen, dass ihr Ansehen als Soldatin beschädigt werde. Die Formulierungen dürften keinen Zweifel an der charakterlichen Integrität wecken. Das Truppendienstgericht sorgte sich um das Ansehen der Bundeswehr wie auch um die Vertrauenswürdigkeit der Soldatin, wenn der Eindruck entstehe, sie reduziere sich und ihre wechselnden Geschlechtspartner „zu reinen Sexobjekten“.

„Es ist absurd und unzulässig anzunehmen, mein Privatleben beschneide meine Führungsqualitäten“, sagte die 48-Jährige laut Mitteilung des Vereins „QueerBw“. „Den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts kann ich nicht stehen lassen – daher gehe ich nach Karlsruhe.“ Sven Bäring von QueerBw sprach von einer Zumutung für Biefang, „die seit 28 Jahren verantwortungsvoll und integer ihren Dienst bei der Bundeswehr macht.“ Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisierte, das Bundesverwaltungsgericht lasse die Sexualmoral der 1950er Jahre aufleben und verstärke im Ergebnis Vorurteile gegen Frauen und queere Menschen.

Das hier könnte Sie auch interessieren: Bunt, bunter, CSD: Warum wir immer noch laut sein müssen

Die Obersten Richter:innen des Landes müssen nun über das Recht auf Sexuelle Selbstbestimmung entscheiden. Der Schutz der Intimsphäre bedeute ja nicht, „dass Sexualität verborgen werden muss“, heißt es in Biefangs Beschwerde. Sexuelle Selbstbestimmung sei auch auf Selbstdarstellung und Austausch gerichtet. Vielleicht nicht auf dem Marktplatz, aber auf einer Plattform für registrierte Nutzer mit ähnlichen Interessen.

Neben dem Rechtsstreit zeigt der Fall und die bisherigen Urteile gegen Biefang vor allem auch das Spannungsfeld von öffentlicher und interner Haltung der Bundeswehr zum Thema LGBTQI+. So versucht die Armee schon länger, als aufgeschlossener und toleranter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dazu gehört auch, dass am dritten Juli die Regenbogenflagge gehisst wird. An diesem Tag war 2000 unter dem damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping der Erlass aufgehoben worden, der homosexuelle Soldaten als „Gefahr für den Zusammenhalt der Truppe“ definierte. Homosexuelle Soldat:innen sind mit heterosexuellen heute rechtlich komplett gleichgestellt sind. Aus dem Verteidigungministerium gab es auf Nachfrage von QueerBw bisher noch keine Stellungnahme. (alp)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp