Terroristen mit Geiseln
  • Palästinenser verschleppen einen gefangenen israelischen Zivilisten aus dem Kfar Azza Kibbuz.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

Was wird aus den Hamas-Geiseln? Erste Forderungen – und wenig Hoffnung

Es ist ein Szenario, das uns allen unvorstellbar erscheint – das für Dutzende Menschen in Israel aber zur furchtbaren Realität wurde: Mitten in ihr normales, friedliches Leben – einen Kibbuz-Besuch, ein Electro–Musik-Festival – bricht der Terror ein. Schnell, brutal, absolut gnadenlos. Sie werden von bewaffneten Männern überfallen, gefesselt, verschleppt – und sind von einem Moment auf den anderen Geiseln. Ohne Rechte, ohne Gewissheiten. Die Hamas hat geschätzt mehr als 100 Israelis in ihrer Gewalt. Und stellt erste Forderungen.

Die Bilder, die seit dem Angriff auf Israel in den Sozialen Medien kursieren, sind kaum zu ertragen: Hamas-Terroristen schubsen und zerren Menschen hinter sich her, Verletzte liegen blutend auf Pickups, Männer mit Maschinenpistolen feixen und und verhöhnen ihre Opfer. Männer, Frauen und sogar kleine Kinder wurden verschleppt.

Wie zum Beispiel die Töchter von Yoni Asher. Der Israeli erzählte dem Sender Channel 12 News, dass seine Frau und die Mädchen im Alter von drei und fünf die Oma in einem Kibbuz nahe des Gazastreifens besucht haben, als die Hamas ihren Angriff startete. Alle drei besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Am Handy sagte seine Frau Doron zu ihm: „Die Terroristen sind im Haus“. Dann brach der Kontakt ab.

Familienvater erkennt entführte Ehefrau und kleine Töchter auf Video

Später ortete er das Telefon in Khan Younis, einer Stadt in Gaza. Und sah seine Liebsten auf einem Video auf Social Media: „Ich habe mit Sicherheit meine Frau, meine beiden Töchter und meine Schwiegermutter auf einer Art Karren erkannt, um sie herum Terroristen der Hamas“, so Yoni Asher zu Reuters. „Meine beiden kleinen Mädchen sind noch Babys, sie sind noch nicht einmal fünf und drei Jahre alt … Ich weiß nicht, unter welchen Bedingungen sie gefangen sind. Ich weiß nicht, was mit ihnen passiert ist.“

Blanker Hass spricht aus diesen Taten. Und eiskaltes Kalkül. Denn die Entführungen sind eine Taktik: Laut dem israelischen Militär werden entführte Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht. Die Geiseln werden im Gazastreifen, einem der dichtbesiedeltsten Gebiete der Erde, festgehalten. Das zeigen Handy-Ortungsdaten von Entführungsopfern wie den Angehörigen von Yoni Asher.

Hamas fordert Freilassung von Palästinenserinnen

Und: Die Hamas will mit den Verschleppten eigene Gefangene freipressen. Sie hat bereits erste Forderungen gestellt. Die Terrororganisation verlangt die Freilassung von 36 inhaftierten Palästinenserinnen in Israel für die Übergabe von älteren entführten Israelinnen, sagte ein Hamas-Sprecher. Wie viele israelische Frauen ausgetauscht werden sollen, erwähnte er nicht. Der Golfstaat Katar vermittelt demnach. Ein Sprecher der israelischen Regierung wollte sich dazu nicht äußern.

Unter den Verschleppten sind auch Angehörige des Militärs. Und die haben noch einen größeren „Wert“ für die Terroristen. „Als die Hamas 2011 den israelischen Soldaten Gilad Schalit freiließ, kamen im Gegenzug 1027 in Israel inhaftierte Palästinenser frei. Das ist sozusagen der Maßstab“, erklärt der ehemalige Geheimdiplomat Gerhard Conrad im Spiegel. Heißt: die Hamas will mit Soldaten und Soldatinnen eigene Gefangene freipressen.

Das könnte Sie auch interessieren: Terrorgruppe Hamas: Wer das Kommando hat – und wer die Islamisten finanziert

Experte Conrad, der 2011 auch bei der Schalit-Freilassung mit der Hamas verhandelte, sieht momentan wenig Hoffnung dafür, dass das schnell passieren könnte: „Wenn es so läuft wie bei Geiselnahmen in der Vergangenheit, wird erst einmal in der Sache länger gar nichts passieren“, sagt er dem Spiegel. „Die israelische Regierung hat ihren Gegenangriff gestartet und wird spektakuläre militärische Erfolge vorweisen wollen, um die Scharte auszuwetzen. Daher wird sie zunächst wenig Interesse an Verhandlungen haben.“ Er befürchtet: „Für die Geiseln und ihre Angehörigen wird es eine lange Leidenszeit.“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp