Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro im Februar 2021.
  • Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro im Februar 2021.
  • Foto: dpa/Agencia Brazil | Marcelo Camargo

Wegen mehr als 600.000 Corona-Toten: Droht Bolsonaro jetzt die Anklage?

Hat Jair Bolsonaro ein Verbrechen gegen die Menschheit begangen? Fast sechs Monate lang arbeitete eine parlamentarische Untersuchungskommission die Corona-Politik des brasilianischen Präsidenten auf. Nun wurde der vorläufige Abschlussbericht öffentlich – mit gravierenden Anschuldigungen.

Inkompetenz, Fahrlässigkeit, gezielte Falschinformationen und Scharlatanerie – die Vorwürfe der Untersuchungskommission „comissão parlamentar de inquérito“ (CPI) sind massiv. Der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zufolge soll in einer vorübergehenden Version des Berichts sogar von Mord die Rede gewesen sein. Das wurde nun wieder gestrichen. Stattdessen werde ihm nun Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Am Mittwoch soll der vorläufige Abschlussbericht präsentiert werden.

Corona in Brasilien: Bolsonaro verharmloste das Virus

Die Verfasser, unter denen auch mehrere Bolsonaro-kritische Senatoren sind, fordern eine Anklage des 66-jährigen Präsidenten wegen einer Mitschuld an der extrem hohen Anzahl von Corona-Toten, die Brasilien dank seiner Politik zu beklagen hatte. 22 Millionen Corona-Infektionen wurden verzeichnet, die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher. Das Gesundheitssystem brach vielerorts zusammen. Mehr als 600.000 Menschen starben. Bolsonaro hatte das Virus trotzdem immer wieder verharmlost und sich gegen Schutzmaßnahmen ausgesprochen.


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„Präsident Jair Bolsonaro hat seine Pflicht verletzt, den Tod Tausender Brasilianer zu verhindern“, zitiert die SZ nun aus dem Bericht. Ginge es nach der Kommission sollten auch 70 weitere Personen und zwei Unternehmen vor Gericht gestellt werden, unter anderem Bolsonaros Söhne und der Ex-Gesundheitsminister.

Bolsonaro in Kritik: Er soll die Beschaffung von Impfstoffen verzögert haben

Auf den 1200 Seiten argumentieren die Autoren unter anderem, dass der rechtspopulistische Präsident mit seiner Regierung den Kauf von Vakzinen bewusst verzögert habe. So sollen E-Mails des Pharmakonzerns Pfizer wochenlang ignoriert worden sein.

Anstatt für Impfstoffe habe die Regierung hohe Summen für umstrittene Medikamente bezahlt. Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Man wollte die Bevölkerung gezielt dem Virus aussetzen, damit schneller eine Herdenimmunität erreicht werden kann“, zitiert die SZ.

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Seit Ende April haben die elf Mitglieder des Ausschusses Mediziner, Wissenschaftler, andere Experten und auch Mitarbeiter der Bolsonaro-Regierung öffentlich zur Corona-Politik des Präsidenten befragt und sollten auch eine mögliche Veruntreuung von Bundesmitteln im Kampf gegen das Virus prüfen.

Ausschuss fordert Anklage – sie gilt aber als unwahrscheinlich

Kritiker sprechen allerdings auch von einer großen Show, denn welche Folgen die Untersuchung haben wird ist unklar. In der kommenden Woche sollen die Ausschussmitglieder über den endgültigen Bericht abstimmen. Eine tatsächliche Anklage gilt aber als sehr unwahrscheinlich: Zum einen liefere der Bericht nicht ausreichend Beweise, argumentiert der SZ-Korrespondent Christoph Gurk, zum anderen sind der Generalstaatsanwalt und Bolsonaro befreundet.

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Einer Wiederwahl in 2022 könnte der Bericht trotzdem in die Quere kommen: Die Zustimmungswerte in der Bevölkerung sinken schon seit Monaten, immer wieder kommt es im Land zu heftigen Protesten von Bolsonaro-Kritikern, aber auch von seinen Anhängern. (ncd/dpa)

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