Wie die Erdbeben-Katastrophe selbst Erzfeinde zusammenschweißt
Mehr als 2400 Tote bei einem der heftigsten Erdbeben der Region in den vergangenen Jahren. Die Katastrophe in der Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien brachte beiden Ländern unendliches Leid. Aber auch viel Solidarität. Unter anderem von Staaten, mit denen es an anderer Stelle Konflikte gibt. In der Not rücken nun auch vermeintliche Erzfeinde zusammen.
In der Nacht zu Montag hatte ein Erdbeben der Stärke 7,7 die Gegend um Gaziantep erschüttert – laut dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan das schwerste Beben seit 1939. Mehrere Nachbeben folgten – auch am Montag noch. Die Zahl der bestätigten Todesopfer in beiden Ländern stieg stetig. Erschütternde Bilder zeigten, wie Helfer in beiden Ländern mit bloßen Händen die Trümmer nach Verschütteten durchwühlten.
Griechenland sagt sofort Hilfe zu – wie damals 1999
Unter den ersten Ländern, die der Türkei ihre Hilfe zusagten, war eines, mit dem es zuletzt massive Spannungen gab: „Griechenland wird sofort helfen“, erklärte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis.
Beide Länder hatten zuletzt unter anderem um Inseln in der Ägäis gestritten. Erdogan hatte den Nachbarn mehr oder minder offen mit Krieg gedroht – obwohl beide Länder NATO-Mitglieder sind. Nun erinnerte die schnelle Hilfsbekundung eher an die „Erdbeben-Diplomatie“ aus dem Jahr 1999. Damals hatten beide Länder sich bei einer ähnlichen Katastrophe gegenseitig unterstützt und so für längere politische Entspannung gesorgt.
Schweden und Finnland koordinieren EU-Hilfe
Neben Griechenland schickten auch zahlreiche weitere EU-Länder Rettungs-Teams in die Türkei. Gleich am Morgen boten sich – ausgerechnet, könnte man sagen – Schweden und Finnland als Koordinatoren des EU-Einsatzes an. Und sagten ihr Mitgefühl und ihre uneingeschränkte Solidarität zu.
„Als Partner der Türkei und Träger der EU-Ratspräsidentschaft stehen wir bereit, unsere Unterstützung anzubieten“, sagte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson. Seit Wochen blockiert die Türkei eine Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO. Vor allem Schweden wird in Ankara die Unterstützung und Aufnahme von angeblichen „Terroristen“ vorgeworfen.
Auch Erdogan und Assad waren einst Gegner
Meist gemeint: Kurden. Die haben zuletzt ohnehin schon indirekt für Annäherungen zwischen den einstigen Gegnern Erdogan und Baschar al-Assad gesorgt. Jahrelang kämpften der syrische und der türkische Präsident im syrischen Bürgerkrieg auf unterschiedlichen Seiten. „Massenmörder“ war nur eine der „Freundlichkeiten“, die Erdogan dem Kollegen zuschrieb.
Zuletzt aber zeichnete sich eine Trendwende ab: Möglichst noch vor den Wahlen im Mai strebt Erdogan einen Gipfel mit Assad an. Der Deal könnte – so vermuten Politikwissenschaftler – vor allem auf Kosten der Kurden im Grenzgebiet gehen. Und, so Erdogans Kalkül, ihm Stimmen bei der Präsidentschaftswahl einbringen.
Das könnte Sie auch interessieren: „Wir müssen raus“: Linken-Chefin erlebt Erdbeben in der Türkei mit
Unter anderem Irans Präsident Ebrahim Raisi bot den beiden „befreundeten und brüderlichen Ländern“ Hilfe an. Noch spannender aber dürften die folgenden Hilfsangebote von vielen wahrgenommen werden: Sowohl Russland als auch die kriegsgebeutelte Ukraine sagten beiden Ländern Hilfe zu. Außerdem tat dies Israel, das sich immerhin mit Syrien offiziell im Krieg befindet.