Wie geht Sterbehilfe? Parlament lehnt Vorschläge ab – einigt sich aber in einer Sache
Sterben müssen wir alle. Der Tod ist ein Muss – aber er kann auch eine Option sein. Eine Erlösung. Seit 2020 gilt in Deutschland das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende. Aber wie, mit welchen Regeln soll das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden? Das war und bleibt erstmal unklar. Im Bundestag wurden jetzt zwei Vorschläge abgelehnt. Und nun?
Das Urteil sorgte im Februar 2020 für Aufsehen – weil es Menschen, die ihr Leben nicht nicht mehr als Geschenk, sondern als Last ansehen, das Recht gibt, es zu beenden. Ohne Wenn und Aber. In der Begründung steht, dass die „freiverantwortliche Entscheidung des Einzelnen, das eigene Leben zu beenden, als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft respektiert werden muss“. Heißt: Wer nicht mehr leben will, darf sterben. Das Recht auf das eigene Ende ist „nicht auf bestimmte Lebens- oder Krankheitssituationen, wie z. B. das Vorliegen einer unheilbaren Erkrankung, beschränkt“. Es steht „grundsätzlich jedem Bürger unabhängig von den Gründen für seinen Todeswunsch zu.“
Sterbehilfe: Keine klaren Richtlinien
So weit das Gericht. Wie das alles gehen soll, wer anderen Menschen wie bei ihrem selbstbestimmten Tod behilflich sein darf – das ist seitdem rechtlich unklar. Für Ärzte gilt ein rechtliches Verbot von „Tötung auf Verlangen“ – unter jeder Bedingung. Wie soll das in Zukunft geregelt werden? Im Parlament wurden dazu am Donnerstag zwei Entwürfe vorgestellt, debattiert – und abgelehnt.
Die Gruppe um die Grüne Renate Künast und FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr wollte, dass Mediziner Arzneimittel zur Selbsttötung grundsätzlich unter Voraussetzungen verschreiben dürfen. „Es gibt so viele Menschen, die sich die Sicherheit wünschen, selbstbestimmt gehen zu dürfen“, sagte Helling-Plahr. „Dabei darf man nicht schon wieder mit dem Strafrecht drohen“.
Anders die Gruppe um Lars Castellucci (SPD): In deren Entwurf steht, es gelte, begleiteten Suizid zu ermöglichen, aber nicht zu fördern. Wer dies organisiert anbiete und sich nicht an ein Schutzkonzept halte, sollte sich strafbar machen.
Parlament einigt sich auf Ausbau der Suizid-Vorbeugung
Für keinen von beiden Vorschlägen gab es im Parlament eine Mehrheit. Dafür aber für einen Antrag, in dem beide Gruppen für den Ausbau der Suizid-Vorbeugung werben. Gefordert wird zum Beispiel ein Präventionsdienst, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen rund um die Uhr online Kontakt zu geschulten Ansprechpartnern ermöglicht.
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Und nun? Ist es schlecht, dass beide Vorschläge durchfielen? Nein, finden Patientenschützer und Bundesärztekammer. „Nun haben wir Zeit für die noch nicht ausreichend geführte gesamtgesellschaftliche Debatte“, sagte deren Präsident Klaus Reinhardt. Man dürfe nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. „Wir brauchen zunächst einmal ein umfassendes Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden.“ Und genau damit will sich die Politik befassen – nach der Sommerpause.