Wie Silvio Berlusconi (†86) es schaffte, Italien immer wieder zu bezirzen
Silvio Berlusconi maß 1,64 Meter – und hielt sich für den Größten. Und groß wurde er auch, immer wieder. Er war ein mächtiger Unternehmer, ein manipulativer Mensch, ein Gesetzesbrecher, ein populistischer Politiker – und ein talentierter Unterhalter. Jetzt ist er gestorben, 86 Jahre alt, geschwächt in einem Krankenhaus in Mailand. Er hinterlässt der Welt eine Menge, nicht nur sehr viel Geld und auf keinen Fall nur Gutes.
Sein Talent für Stimmungsmache entdeckte er schon sehr früh: In den frühen Sechzigern sang der junge Silvio Schnulzen auf Kreuzfahrtdampfern von Costa Crociere – die Menschen beklatschten ihn, Silvio sonnte sich und verdiente nebenbei das Geld, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. So oder ähnlich lief es im Grunde dann mehr als ein halbes Jahrhundert lang bei ihm. Dass er sein Jura-Studium in Mailand cum laude abschloss, hat ihm sicher auch öfter mal geholfen.
Schnulzensänger, Immobilien- und Medienmulti, Fußball-Funktionär, Parteigründer, Ministerpräsident, verurteilter Steuerbetrüger – und ein Held für viele seiner Landsleute. Trotz Bunga-Bunga, Betrug und sehr viel Irrsinn. „Ich bin der Jesus Christus der Politik“, sagte Berlusconi 2006 herzlich unbescheiden.
Silvio Berlusconi, der „Vater aller Populisten“
Im Ausland wurde der italienische Macho mit dem angetackert wirkenden Haaransatz und dem breiten Perlweiß-Grinsen irgendwann fast nur noch belächelt. „Berlusconismus“ – sein politisches Auftreten hatte einen eigenen Namen. Und war Vorbild für eine Schar von Populisten, die nach ihm kamen, Donald Trump zum Beispiel.
Man könnte sagen, der Silvio hat’s erfunden. Der ehemalige Ministerpräsident und EU-Kommissar Mario Monti nannte ihn deshalb den „Vater aller Populisten“ Und Dacia Maraini, eine der wichtigsten italienischen Autorinnen, hält den Berlusconismus für „die größte kulturelle Katastrophe unserer Zeit“.
Berlusconi war viermal Regierungschef
Berlusconi war viermal Regierungschef, insgesamt kam er dabei auf mehr als neun Jahre im Palazzo Chigi – so lange wie kein anderer italienischer Ministerpräsident. Aber so schmutzig, rücksichtslos und triebgesteuert war wohl auch keiner. Berlusconi? Wenn der Name fällt, ist die Assoziation mit Bunga Bunga nicht weit. Der Skandal ging um die Welt, es ging um Partys mit teils minderjährigen Frauen in seiner Privatvilla.
Es folgten jahrelange Verfahren – aber, erschreckend genug, nicht das Karriere-Ende von Berlusconi. Vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Förderung von Prostitution Minderjähriger wurde er freigesprochen, genau wie zuletzt in einem Prozess wegen Zeugenbestechung.
Silvio Berlusconi kam den Italienern immer wieder wie ein Retter vor. Wie er das geschafft hat? Es begann mit dem Sport, den sein Land so liebt: Fußball! Als enorm erfolgreicher Besitzer von TV-Sendern kaufte er 1987 den AC Mailand – und der Verein schaffte es an die europäische Kicker-Spitze. 1994 wurde Fernseh-Berlusconi selbst an die Spitze seines Landes gewählt: Der damals 57-Jährige siegte nur zehn Wochen nach der Gründung der Partei Forza Italia das erste Mal bei den Parlamentswahlen.
Berlusconi brüskierte und beleidigte Angela Merkel
Was dann kam, war manchmal schockierend, oft erschreckend und immer wieder überraschend – weil Berlusconi einfach immer wieder kam. Trotz Skandalen und Verfahren. „Es gibt niemanden auf der Welt, der so tun kann, als könne er mit mir mithalten“, sagte er einmal gewohnt unbescheiden über sich selbst.
In Sachen Dreistigkeit und Frechheit war das tatsächlich so: 2003 schlug er SPD-Politiker Martin Schulz, damals Präsident des EU-Parlaments, scherzhaft für eine Rolle als KZ-Aufseher in einem Film vor. 2009 brüskierte er die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim NATO-Gipfel in Kehl, als er aus dem Auto stieg und dann mit dem Handy am Ohr minutenlang am Rheinufer entlang spazierte, statt die Gastgeberin zu begrüßen. Merkel bezeichnete er an anderer Stelle übrigens auch mal als „fettärschig“. Wladimir Putin dagegen als „Freund“, bis zuletzt. 20 Flaschen Wodka habe der ihm zum Geburtstag geschickt, behauptete Berlusconi vor einigen Monaten.
Den Spielern seines neuen Vereins AC Monza versprach er 2022 bei der Weihnachtsfeier einen „Bus voller Nutten“, wenn die gegen Topteams wie Juventus oder Milan gewönnen. Neben ihm saß dabei Marta Fascina, lächelnd. Die 33-Jährige ist Parteimitglied, glühende Verehrerin und war sogar symbolische Ehefrau von Berlusconi: Die beiden feierten im vergangenen Jahr ein „Fest der Liebe“.
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Heiraten wollte Berlusconi sie aber nicht offiziell – wohl aus finanziellen Gründen: „Ich bin freundlich, ich habe Geld, ich weiß, wie man Frauen behandelt. Zudem denken die Frauen: ,Er ist alt. Er stirbt und ich erbe.‘“, sagte er schon 2010. Aber erben, das sollten nur seine fünf Kinder.
Silvio Berlusconi starb in einem Krankenhaus in Mailand an chronischer Leukämie – zuletzt plagte ihn auch noch einen Lungenentzündung. Er hatte ein langes und definitiv kein langweiliges Leben, in dem er seinem Motto treu blieb: „Ich bin ein fröhlicher Mensch, ich liebe das Leben und die Frauen. Niemand wird mich dazu bringen, meinen Lebensstil zu ändern …