„Geht hier nicht um Schokolade“: Vor Impfgipfel: SPD-Chef attackiert Biontech und Co.
Berlin –
Der Ton wird schärfer: Vor dem „Impfgipfel“ an diesem Montag hat SPD-Chef Norbert Walter-Borjans die Hersteller von Corona-Impfstoffen scharf kritisiert.
„Ich bin schockiert über den Mangel an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein bei einigen Herstellern. Es geht hier nicht um Schokolade, sondern um ein Produkt, an dem Existenzen und der Zusammenhalt der Gesellschaft hängen“, sagte Walter-Borjans dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).
SPD-Chef attackiert Impfstoff-Hersteller
Trotz aller Anerkennung für die rasche Entwicklung der Vakzine sind mehrere Hersteller von Covid-19-Impfstoffen zuletzt in die Kritik geraten. So sorgten etwa das Mainzer Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer für Ärger mit der kurzfristigen Ankündigung, wegen Werksumbauten vorübergehend weniger Impfstoff zu liefern – auch wenn dadurch eine größere Produktion möglich werden soll.
Der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca hatte vor gut einer Woche überraschend mitgeteilt, im ersten Quartal statt 80 Millionen nur 31 Millionen Dosen Impfstoff an die EU-Staaten zu liefern. Die Empörung war groß, am Sonntag sagte Astrazeneca dann zu, immerhin neun Millionen Dosen mehr zu liefern, also insgesamt 40 Millionen Dosen, wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mitteilte.
„Das Agieren der Impfstoffhersteller irritiert mich zutiefst. Was sind das für Manager, die mitten in einer gesellschaftlichen Notsituation ohne mit der Wimper zu zucken gegebene Zusagen wieder zurücknehmen?“, so Walter-Borjans. „Die Unternehmen haben eine Gesamtverantwortung für die Gesellschaft – besonders, wenn sie mit Millionen Euro aus Steuermitteln gefördert worden sind.“ Er erwarte, dass sie dieser Verantwortung gerecht würden.
Impfstoff-Hersteller wollen Lieferkapazitäten erhöhen
Derweil teilte Biontech am Montagmorgen mit, man könne im zweiten Quartal möglicherweise bis zu 75 Millionen zusätzliche Dosen seines Vakzins an die Europäische Union ausliefern. Zudem arbeite man der Erhöhung der Lieferungen ab der Woche vom 15. Februar, um die vertraglich festgelegte volle Liefermenge an Impfstoffdosen im ersten Quartal sicherzustellen, hieß es.
Gleichzeitig gab der Pharmakonzern Bayer bekannt, dass er in die Produktion von Covid-19-Impfstoffen einsteigen wolle. Eine eingehende Prüfung habe ergeben, „dass wir über die erforderlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen, den mRNA-basierten Impfstoff von Curevac herstellen zu können“.
Das könnte Sie auch interessieren: Zwischen Hoffen und Bangen – so laufen die Impfungen in anderen Ländern
Das Präparat wird vom Tübinger Biotechnologie-Unternehmen Curevac derzeit noch entwickelt und noch nicht zugelassen. Curevac-Chef Franz-Werner Haas sagte: „Zum Ende des Jahres werden wir mehrere hundert Millionen Dosen zur Verfügung haben.“ Für das Jahr 2022 seien bisher 600 Millionen Dosen geplant gewesen. Durch Ausweitung des bestehenden Produktionsnetzwerkes würden es nun mindestens eine Milliarde werden.
Auch der Pharmakonzern Astrazeneca will nun doch mehr Impfstoff an die EU-Staaten liefern. Im ersten Quartal kämen neun Millionen Dosen hinzu, insgesamt seien es also 40 Millionen Dosen, teilte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit. Der britisch-schwedische Hersteller hatte vor gut einer Woche überraschend mitgeteilt, im ersten Quartal nur 31 statt 80 Millionen Dosen des seit Freitag in der EU zugelassenen Impfstoffs zu liefern.
Spahn: „Wir können durch einen Gipfel alleine noch nicht mehr Impfstoffe produzieren“
Weil die Kritik am schleppenden Impfstart, den Lieferschwierigkeiten einzelner Hersteller und den Problemen bei der Terminvergabe seit Tagen nicht abreißt, berät Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Montagnachmittag mit den Ministerpräsidenten, Bundesministern und Vertretern der Pharmabranche über die Lage. Zahlreiche Politiker und Verbandsvertreter haben mehr Klarheit über Zeitpläne, Prioritäten für Bevölkerungsgruppen und verfügbare Impfstoffe gefordert.
Berlins Regierender Bürgermeister und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz Michael Müller (SPD) plädierte in einem Brief an Merkel für einen nationalen Impfplan. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte am Montag in München, er erwarte mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit. „Impfen ist die große Hoffnung, doch Impfen war bislang allerdings eher eine Enttäuschung“, sagte der CSU-Chef.
Das könnte Sie auch interessieren: Tschentscher wütet, Spahn beschwichtigt: Das soll der große Impf-Gipfel bringen
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte indes vor übertriebenen Erwartungen: „Wir können durch einen Gipfel alleine noch nicht mehr Impfstoffe produzieren“, sagte er am Sonntagabend in der Talkshow „Die richtigen Fragen“ auf Bild live. Wichtig sei, dass man zunächst ein einheitliches Bild bekomme, wo die Schwierigkeiten lägen. Die Bundesregierung könne den Ländern auch nur die Lieferdaten und -mengen nennen, die sie von den Herstellern bekomme. (mik/dpa)