100.000 mal klingeln: Wie zwei Hamburger die Linke retten wollen
Nach der Wahl ihres neuen Führungsduos hat die Partei Die Linke einen Neustart ausgerufen. Um den Wiedereinzug in den Bundestag sicherzustellen, wollen die beiden Hamburger an der Spitze bestimmte Themen setzen – und dabei besondere Methoden anwenden.
Seit der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) im Herbst 2023 und dem damit einhergehenden Verlust des Fraktionsstatus‘ im Bundestag ging es für die Linke in der öffentlichen Wahrnehmung bergab. Dazu kam das schlechte Abschneiden bei der Europawahl sowie den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In bundesweiten Umfragen hängt die Linke ebenfalls unter der Fünf-Prozent-Hürde fest.
Linkspartei rieb sich intern auf
Aber auch an innerparteilichen Streitigkeiten und unterschiedlichen Positionen zum Nahost-Konflikt rieb sich die Partei auf. Ganz anders entwickelte sich hingegen das BSW: Dieses holte aus dem Stand gut sechs Prozent bei der Europawahl und jeweils zweistellige Ergebnisse in den drei Bundesländern.
Auch die Linke selbst sieht sich in einer „existenzbedrohenden Situation“, wie es in ihrem am Samstag verabschiedeten Leitantrag heißt. Aus der Krise herauskommen will die Partei mit einem neuen Führungs-Duo: Der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken und die Publizistin Ines Schwerdtner, beide ursprünglich aus Hamburg, wurden auf dem Parteitag mit großer Mehrheit zu neuen Vorsitzenden gewählt. Die Partei sei „viel lebendiger, als die Wahlen es zeigen“, an der Basis sei „so viel Energie, so viel Feuer“, gab sich van Aken kämpferisch.
Gelingen soll der Neustart mit einem Fokus auf bestimmte soziale Themen. Welche dies aber konkret sein werden, will die Partei an den Haustüren herausfinden. An hunderttausend sollen Parteimitglieder ab Montag klingeln und dabei herausfinden, welche Probleme die Menschen beschäftigen. „Das hören wir uns an, das wird systematisch ausgewertet“, versprach van Aken. Mit ein bis zwei Themen solle die Partei dann in den Bundestagswahlkampf ziehen. Als ein Beispiel nannte er den Mietendeckel.
Gysi und Ramelow rufen zur Geschlossenheit auf
Schluss mit dem oft quälenden innerparteilichen Streit – dies forderten fast alle Rednerinnen und Redner auf dem Parteitag. Linken-Urgestein Gregor Gysi beispielsweise sieht in diesem und der „Selbstbeschäftigung“ der Partei Gründe für die Krise der Linken. Ihm gehe diese Selbstbeschäftigung „auf die Ketten“, sagte auch Thüringens scheidender Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Die neugewählte Parteispitze rief deshalb zu mehr Geschlossenheit auf. „Wenn ihr mich wählt, dann kriegt ihr nicht nur den netten Jan von nebenan“, betonte van Aken, sondern auch „jemand, der sehr klar sagt: Ab sofort ist Schluss mit Zoff“. Probleme müssten künftig intern im Gespräch geklärt werden.
Nahost-Konflikt: Konsens-Antrag findet große Mehrheit
Ein erstes Zeichen von mehr Geschlossenheit zeigte die Partei bereits bei der Debatte um den Krieg im Nahen Osten – ein Thema, bei dem die Positionen teilweise weit auseinandergehen. Auf dem Parteitag diskutierten die Delegierten hitzig über mehrere Anträge, die vorrangig pro-palästinensische Positionen vertraten und in denen von einem Existenzrecht Israels nicht die Rede war. Der Partei gelang es jedoch schließlich, sich auf einen Konsens-Antrag zu einigen – und das mit großer Mehrheit. Die Linke fordert in diesem „einen sofortigen Waffenstillstand in Israel und Palästina“, wendet sich aber auch gegen Antisemitismus in jeder Form.
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Zu dem Beschluss trug maßgeblich van Aken bei, der zuletzt für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv arbeitete. Damit bestand der neue Parteivorstand seine erste Feuertaufe. „Wir haben damit nicht den Nahost-Konflikt gelöst, aber wir sind damit als Partei ein gutes Stück weitergekommen“, sagte van Aken dazu. Die Linke habe mit ihrer Einigung gezeigt, dass sie „sehr, sehr stark“ sein könne, „wenn sie geeint und geschlossen und gemeinsam zusammensteht“, gab sich auch Schwerdtner zuversichtlich. (dpa/mp)