boris johnson
  • Boris Johnson stürzt in seine schwerste politische Krise.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP Pool | Alberto Pezzali

„Game over“: Britische Medien sehen Boris Johnson am Abgrund

Zwei Minister weg, mehrere Abgeordnete in offener Rebellion – und nun auch noch ein schwieriger Termin im Parlament vor der Brust: Die schlechten Nachrichten für den britischen Premierminister reißen nicht ab. Doch Johnson ist Johnson. Er kämpft.

Die Konservative Partei des britischen Premierministers Boris Johnson ist nach den Rücktritten zweier wichtiger Minister in Aufruhr. Bei den Tories herrsche „offener Krieg“, kommentierte der Sender Sky News in der Nacht zum Mittwoch. Die BBC zitierte einen anonymen Parlamentarier, der sogar den „Geruch des Todes“ im Londoner Parlamentsbezirk Westminster vernommen haben will.

Regierungskrise in Großbritannien: Minister treten zurück

„Konservative Abgeordnete haben endgültig die Geduld mit ihrem Anführer verloren, der für die Wähler immer schneller zu einer verachtenswerten Figur wird“, sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster.

Finanzminister Rishi Sunak, der lange als möglicher Nachfolger Johnsons galt, und Gesundheitsminister Sajid Javid betonten in ihren Rücktrittsschreiben, sie hätten das Vertrauen in den Premier verloren. Und auch mehrere Abgeordnete legten Regierungsämter nieder – dabei handelt sich zwar nicht um entscheidende Posten, aber das Signal ist verheerend, wie Analysten betonten. Vor allem der Rücktritt von Jonathan Gullis, der bisher als ultra-loyaler Anhänger des Premiers galt, zeige, dass die Zeichen auf Sturm stünden.

Britische Presse sieht Johnson vor dem Aus

Der wohl schlimmste Tag seiner Amtszeit könnte für Johnson bloß ein Auftakt zu mehr gewesen sein. Denn am Mittwoch muss sich der Premier mittags traditionell den Fragen der Abgeordneten im Unterhaus stellen – und am Nachmittag dem Liaison Committee, einem Parlamentsausschuss. Dabei überbieten sich die Mitglieder oft mit unangenehmen Fragen, sie „grillen“ den Premier. Ein Thema auf der Tagesordnung: Integrität.

Hier schließt sich für Johnson der Kreis. Denn diese Integrität sprechen ihm immer mehr seiner Parteifreunde ab. Der Premier habe die Tories lächerlich gemacht und heruntergewirtschaftet – so lässt sich die Kritik der immer zahlreicher werdenden Parteirebellen zusammenfassen. Sie könne unter den aktuellen Umständen nicht mehr für die Regierung arbeiten, erklärte die Abgeordnete Nicola Richards zu ihrem Rücktritt als Büroleiterin (Parliamentary Private Secretary) des Verkehrsministers.

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Auslöser der neuen Regierungskrise war, dass Johnson den konservativen Abgeordneten Chris Pincher in ein wichtiges Fraktionsamt hievte, obwohl ihm Vorwürfe der sexuellen Belästigung bekannt waren. Vorige Woche trat Pincher zurück, weil er betrunken zwei Männer begrapschte.

Britische Zeitungen sehen den konservativen Premier ebenfalls vor dem Aus. Der Regierungschef stehe nach knapp drei Jahren Amtszeit am Abgrund, titelten am Mittwoch gleich mehrere Blätter.

Johnsons Zukunft hänge an seidenem Faden, schrieb die Zeitung „Telegraph“. Die konservative „Times“ forderte in ihrem Leitartikel den Premierminister auf, zum Wohle des Landes zurückzutreten – „Game over“, das Spiel sei aus. „Jeder Tag, den er im Amt bleibt, verstärkt das Chaos“, so die „Times“. Johnson habe keine Autorität mehr. (mp/dpa)

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