Allein im Petersdom: Papst fordert „Ende des Egoismus“ und spendet Segen „Urbi et Orbi“
Vatikanstadt –
Angesichts der Corona-Pandemie hat Papst Franziskus am Ostersonntag ein weltweites Ende des Egoismus gefordert und die Europäische Union zu mehr innerer Solidarität ermahnt.
In seiner Osterbotschaft sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Sonntag im fast leeren Petersdom: „Gleichgültigkeit, Egoismus, Spaltung und Vergessen sind wahrlich nicht die Worte, die wir in dieser Zeit hören wollen.“
Papst Franziskus spendet Segen „Urbi et Orbi“
Anschließend spendete Franziskus den Segen „Urbi et Orbi“ – der Stadt und dem Erdkreis. Die Zeremonie wurde – wie auch die Messe – in Internet und in TV-Sendern übertragen. Wegen der Gesundheitskrise waren Pilger in diesem Jahr nicht zugelassen.
An die EU-Politiker gewandt sagte der 83 Jahre Papst aus Argentinien: „Die Europäische Union steht heute vor einer epochalen Herausforderung, von der nicht nur ihre Zukunft, sondern die der ganzen Welt abhängt. Lasst uns nicht die Gelegenheit versäumen, einen weiteren Beweis der Solidarität zu erbringen, auch wenn wir dazu neue Wege einschlagen müssen.“
In der EU hatte es harte Debatten über Finanzhilfen gegeben, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Die Regierungen erzielten vergangene Woche eine Einigung. Doch Rom und Berlin sind etwa über gemeinsame EU-Anleihen weiter uneins.
Papst Franziskus feiert sonst mit Zehntausenden Gläubigen aus aller Welt
Der Pontifex feiert üblicherweise mit Zehntausenden Gläubigen aus aller Welt auf einem mit Blumen geschmückten Petersplatz die Ostermesse. Anschließend spendete er in anderen Jahren von der Loggia des Doms den wichtigsten katholischen Segen „Urbi et Orbi“, verbunden mit dem Sündenerlass. Das war in diesem Jahr alles anders. Die Festlichkeiten waren in die Basilika verlegt worden und hatten ohne Gläubige wenig Atmosphäre. Italien ist mit über 19.000 Todesfällen von der Corona-Pandemie sehr stark getroffen.
Osterfeiern im Heiligen Land mit starken Einschränkungen
Auch im Heiligen Land fanden die Osterfeiern unter Einschränkungen statt. In der Grabeskirche in Jerusalems Altstadt wurde die Messe am Sonntag nur im kleinsten Kreis zelebriert. Die Grabkapelle in der Jerusalemer Kirche steht nach christlicher Überlieferung an dem Ort, an dem Jesus begraben wurde und wieder auferstand.
Vorsitzender der Deutsche Bischofskonferenz hofft auf Lehre aus der Krise
In Deutschland sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Corona-Pandemie könne sogar zum „Glücksfall der Geschichte“ werden. „Hoffentlich lehrt uns diese Krise, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind“, erläuterte der Bischof im Limburger Dom nach dem verbreiteten Predigttext. Die Krise, so schlimm sie sei, habe viel Gutes hervorgebracht. „So viel Freundlichkeit und Humor habe ich selten erlebt.“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, verteidigte das Verbot von Gottesdiensten mit Gläubigen. Ein Ostergruß per Handschlag oder eine herzliche Umarmung seinen „zum Feind des Lebens geworden“, sagte Bedford-Strohm in einer in München aufgezeichneten und im Berliner Dom eingespielten Osterpredigt.
Papst Franziskus dankt allen Helfern in Pandemie-Zeit
Der Papst dankte in seiner Botschaft vor dem kurzen Segen allen Helfern in Pandemie-Zeit, den Ärzten, Schwestern, Pflegern und Ordnungskräften. Er sei in Gedanken bei den vielen Opfern und ihren Familien. „In diesen Wochen hat sich das Leben von Millionen von Menschen schlagartig verändert.“ Umso wichtiger sei es, dass man die Auferstehung von Jesus Christus als Zeichen der Hoffnung verstehe.
Der Papst forderte erneut eine Lockerung von internationalen Sanktionen für Länder, die sonst ihren Bürgern nicht helfen könnten. Den ärmsten Staaten sollten Schulden teilweise oder ganz erlassen werden. „Diese Zeit erlaubt kein Vergessen“, mahnte er. Franziskus erinnerte an die Nöte von Menschen in Asien und Afrika sowie der „vielen Migranten und Flüchtlinge, unter denen sich zahlreiche Kinder befinden und die unter unerträglichen Bedingungen leben, insbesondere in Libyen und an der griechisch-türkischen Grenze“. Er erwähnte extra die Lage der Migranten auf der griechischen Insel Lesbos.
Historisch beispiellose Geste: Papst Franziskus spendet Segen Urbi et Orbi vor Pestkreuz
In Rom, wo sonst Zehntausende den Petersplatz füllen, um den Gebeten und Worten des Papstes zu lauschen, war es bereits am Freitag, 27. März, zu einer historisch beispiellosen Geste durch Papst Franziskus gekommen.
Der Pontifex spendete den Sondersegen „Urbi et Orbi“ und rief die Menschen zu mehr Zusammenhalt in der Krise auf. „Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt. Sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt“, sagte der Papst.
„Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern.“
Das Oberhaupt der katholischen Kirche betete am Tag, an dem das Land Italien so viele Menschen wie nie zuvor verlor, um ein Ende der Corona-Pandemie.
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Bei der Feier am Freitagabend auf den Stufen des Petersdoms rief er die Hilfe Gottes in der Notlage und seinen Trost für Kranke und Sterbende an.
Radio- und Fernsehanstalten aus aller Welt übertrugen Zeremonie live
Wegen der Ausgangsbeschränkungen blieb der Petersplatz, auf dem sich sonst Zehntausende versammeln, für Gläubige gesperrt. Radio- und Fernsehanstalten aus aller Welt sowie vatikanische Medien übertrugen die Zeremonie live.
„Urbi et Orbi“ ist der wichtigste Segen der katholischen Kirche
Der Segen „Urbi et Orbi“ (der Stadt und dem Erdkreis) ist der wichtigste der katholischen Kirche und wird eigentlich nur zu Weihnachten, Ostern und nach einer Papstwahl gesprochen.
Damit ist eine Generalabsolution, also der Straferlass bei Sünden, verbunden. Angesichts der Corona-Krise entschied sich der Papst zu dem historischen Ereignis. Dabei stand der 83-jährige Franziskus alleine vor den Stufen des Petersdoms, Regen fiel über Rom.
Nur sein Zeremonienmeister war dabei. Der Petersplatz ist im Zuge der allgemeinen Ausgangssperre in Italien gesperrt. Für die Zeremonie wurde auch ein Pestkreuz geholt. Es war während der Pest 1522 durch Rom getragen worden.
Franziskus erinnerte die Menschen an ihre Verletzlichkeit. „Der Sturm legt unsere Verwundbarkeit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheiten auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheiten und Prioritäten gebaut haben“, sagte der Papst. „Er macht sichtbar, wie wir die Dinge vernachlässigt und aufgegeben haben, die unser Leben und unsere Gemeinschaft nähren, erhalten und stark machen.“ (dpa/susa)