Bundeskanzler Olaf Scholz.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte Christian Lindner in seiner Rede scharf.
  • Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Ampel-Aus! Scholz wirft Lindner raus und will jetzt die Vertrauensfrage stellen

Der „Herbst der Entscheidungen“ bringt den Bruch der Koalition. Der Kanzler wirft den Finanzminister raus – dann zieht die FDP alle Minister zurück. Im März könnte es Neuwahlen geben.

Die Ampel-Koalition ist zerbrochen. Nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus dem Kabinett zu schmeißen. Die FDP zog daraufhin alle ihre Minister aus dem Dreier-Regierungsbündnis ab – und beendet somit effektiv die Ampel-Koalition.

Die Wählerinnen und Wähler können sich nun im März auf vorgezogene Neuwahlen einstellen. Der Bruch der Koalition kommt kurz nach dem Sieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen.

Scholz will Vertrauensfrage stellen

Der Bundestag solle am 15. Januar über eine Vertrauensfrage abstimmen, sagte Scholz in Berlin. Erwartet wird, dass er diese verliert. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Diese könnten spätestens Ende März stattfinden.

Das wirft der Bundeskanzler Christian Lindner vor

Scholz machte Lindner schwere Vorwürfe. Dem FDP-Politiker gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. „Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.“

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Scholz wollte mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs ein Aussetzen der Schuldenbremse. Das lehnte die FDP ab. Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. „Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. „So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.“

Ringen um Lösungen scheitert 

In mehreren Runden hatte Scholz in den vergangenen Tagen mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Auswegen aus der Krise gesucht. Lindner hatte in einem Papier vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Ampel-Politik gefordert. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Dagegen gab es großen Widerstand bei SPD und Grünen. Weiter ging es darum, wie ein Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft werden kann.

„Herbst der Entscheidungen“

Lindner hat schon vor einiger Zeit den „Herbst der Entscheidungen“ für die Koalition ausgerufen, die seit Ende 2021 amtiert. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der eigentlich am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. 

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Habeck: Ampel-Aus war unnötig

Vizekanzler Habeck bedauerte den Bruch der Ampel-Koalition. Er betonte vor dem Kanzleramt, „dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt“. Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. „Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen“, sagte Habeck. Die Entlassung von Lindner sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert. picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber
 Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert.

Scholz will auf Merz zugehen

Scholz will Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. „Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen“, sagte der Kanzler. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, «die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung», sagte der Kanzler. 

Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: „Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen.“ Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das „vielleicht dringender denn je“.

Lindner wirft Scholz kalkulierten Bruch der Koalition vor

Der entlassene Finanzminister Christian Lindner warf Scholz vor, den Bruch der Ampel-Koalition gezielt herbeigeführt zu haben. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition“, sagte der FDP-Vorsitzende in Berlin. Damit führe Scholz Deutschland in eine Phase der Unsicherheit. 

Christian Lindner (FDP) nach seiner Entlassung durch den Bundeskanzler Christoph Soeder/dpa
Christian Lindner (FDP) gibt nach seiner Entlassung durch den Bundeskanzler ein Statement.
Christian Lindner (FDP) gibt nach seiner Entlassung durch den Bundeskanzler ein Statement.

Lindner warf SPD und Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass Deutschland einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige. „Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost“, sagte Lindner. „Seine Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche unseres Landes zu überwinden, damit wir unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherung und unsere ökologische Verantwortung erhalten können.“

Scholz habe ultimativ von ihm verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen, sagte Lindner. „Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte. Deshalb hat der Bundeskanzler in der Sitzung des Koalitionsausschusses am heutigen Abend die Zusammenarbeit mit mir und der FDP aufgekündigt.“ (dpa/mp)

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