Arbeitgeber-Boss: „Die Stechuhr darf nicht zurückkehren“
Kommt sie nun oder kommt sie nicht, die Erfassung der Arbeitszeit? Während das politische Berlin und speziell die Ampel noch überlegen, wann genau es den Gesetzentwurf geben soll, der zu weniger unbezahlten Überstunden führen soll, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun noch einmal klargemacht: De facto gibt es die Pflicht schon. Der Arbeitgeber-Chef Rainer Dulger warnt nun: „Die Stechuhr darf nicht zurückkehren!“
Das Grundproblem ist klar: Massenhaft werden Überstunden geleistet, die weder bezahlt noch ausgeglichen werden. In Deutschland betraf das zuletzt jeden achten Arbeitnehmer. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellte 2019 klar: EU-Mitglieder müssen ihre Arbeitgeber zwingen, die Arbeitszeiten zu erfassen.
Die Ampel will ein entsprechendes Gesetz Anfang 2023 verankern. Das BAG stellte im September dieses Jahres fest: An sich bestünde diese Pflicht ohnehin dank EuGH-Urteil. Nun hat das Gericht sein Urteil noch einmal konkretisiert, was Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger zum Stechuhr-Spruch animierte.
Dulger will keine Stechuhr
„Die Stechuhr darf nicht in die Betriebe zurückkehren“, so der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in der „Rheinischen Post“. Wenn der Gesetzgeber den Unternehmen nun noch mehr Aufzeichnungspflichten auferlege, dann sei das in seinen Augen eine Fehlinterpretation der beiden Urteile.
„Wie lange wir arbeiten, ist zum Beispiel die Sache der Sozialpartner“, so Dulger. Heißt: Das sind Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. „Warum kann das nicht auch für Aufzeichnungspflichten gelten, also für die Frage, wie wir das dokumentieren?“
48 Stunden pro Woche – flexibel verteilt
Stattdessen plädiere er für mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten, etwa durch Reformen bei der Höchstarbeitszeit: „Statt acht Stunden am Tag sollten es 48 Stunden in der Woche sein.“ Und die sollten dann individuell – nach Absprache zwischen Arbeitgebern und Angestellten/Gewerkschaften – auf die Tage verteilt werden.
Dulger spricht natürlich ein reales Problem an: Die Arbeitszeiterfassung könnte im Einzelfall zu Problemen führen: Was ist in Betrieben, in denen derlei Strukturen nicht wirklich funktionieren? Die bewusst auf Vertrauensarbeitszeit setzen? Hier lässt das Urteil Ausnahmen zu. So könnten hier die Partner vereinbaren, dass die Arbeitnehmer ohne Kontrolle ihre Arbeitszeiten selbst aufschreiben. Ausnahmen müssen aber gesetzlich nochmals konkreter bestimmt werden.
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Oder was wäre mit dem Datenschutz, zumal in Betrieben, die verstärkt auf Home-Office setzen? Oder welche Rolle spielen Betriebsräte? Dürfen diese die Arbeitszeiterfassung einfordern per „Initiativrecht“? Laut Expert:innen ist dies in beiden Urteilen nicht klar geregelt.
Es kommt also doch noch viel Arbeit auf die Ampel-Regierung zu. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will vermutlich im ersten Quartal 2023 seinen Entwurf vorlegen: „Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass Menschen nicht um ihren Lohn betrogen werden, durch Manipulation bei der Arbeitszeit.“ Aber: Man müsse auch darauf achten, „dass die Umsetzung so unbürokratisch wie möglich stattfindet“. (km)