„Will Kritik Raum geben“: Irans Präsident Raisi erwägt Reformen wegen Protesten
Seit fast zwei Wochen dauern die massiven Proteste gegen das repressive Mullah-Regime im Iran nun schon an. Von der Regierung war bisher wenig Versöhnliches zu hören – bis jetzt. Erstmals stellte Präsident Ebrahim Raisi vorsichtig Reformen in Aussicht, betonte aber zugleich: Gegen die Protestierenden wird weiter hart durchgegriffen.
„Ich habe schon immer gesagt, dass wir unserer Toleranzschwelle bezüglich Kritik und auch Protesten erhöhen sollten“, so Raisi am Mittwoch. Der Weg dahin sei offen, man könnte im Land dazu auch Zentren für Diskussionen eröffnen, sagte der Präsident weiter. „Auch die Umsetzung der Gesetze könnte reformiert und revidiert werden. Dies würde dem Land sogar nützen“, sagte der Kleriker in einem Live-Interview des Staatssenders „Irib“. Aber: Er ließ offen, welche Gesetze genau revidiert werden könnten und ob auch islamische Gesetze wie das Kopftuchverbot dazu gehören.
Gleichzeitig betonte er erneut, dass Proteste nicht zu Ausschreitungen führen dürften. Die Randale der vergangenen Tage sei von den Feinden des Irans arrangiert worden, um das Land und das islamische System „zum Stillstand zu bringen“. Daher würden die Polizeikräfte konsequent gegen die Randalierer vorgehen und die Justiz die vom Ausland angeheuerten Söldner hart bestrafen, warnte der Präsident.
Irans Präsident Raisi: Kommen jetzt Reformen?
Ob es dieses Mal tatsächlich Reformen in dem streng islamischen Land geben wird, ist mehr als fraglich. So fordern die Iraner:innen, die derzeit unter Gefährdung ihres Lebens auf die Straße gehen unter anderem das Ende der Polizeigewalt, insbesondere der Sittenpolizei, Lockerungen der strengen Kleidervorschriften für Frauen – und: einige Gruppen gar den Sturz des Regimes. Immer wieder ist auf Videos aus dem Iran der Schlachtruf „Tode dem Diktator“ zu hören.
Bereits 2009 und 2018 gab es massive Proteste im Iran. 2009 „forderten die Menschen erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik einen grundsätzlichen Systemwandel“, so der Iran-Experte Hamidreza Azizi im Interview mit dem „Redaktions Netzwerk Deutschland“ (RND). Dieses Mal sei vor allem die „führende Rolle der Frauen“ neu, so Azizi. „Jede einzelne Frau, die ihren Hidschab abnimmt, vollzieht einen Protestakt gegen das politische System. Der Antrieb dieser Protestwelle ist der Mut der Frauen.“
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Auslöser für die derzeitige Protestwelle war der Tod der Kurdin Mahsa Amini, die mutmaßlich in Folge des gewaltvollen Vorgehens der Sittenpolizei starb. Zuvor war sie festgenommen wurden, weil offenbar Haarsträhnen aus ihrem Kopftuch guckten.
Was die jetzige Protestwelle, laut Azizi, noch besonders stark macht: „Die Menschen haben keine Angst mehr. Wir sehen Videos von sehr jungen Frauen, 16 oder 17 Jahre alt, die vor Sicherheitskräften stehen und weiter ihre Parolen rufen, obwohl die auf sie geschossen haben.“ Ob Raisis Schritt in Richtung seines wütenden Volkes lediglich Dampf aus dem Kessel nehmen soll, wird sich zeigen – und ob sich der Zorn überhaupt noch bändigen lässt. (alp)
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