Mitglieder der ukrainischen Territorialen Verteidigungskräfte, einer freiwilligen Militäreinheit der Ukrainischen Streitkräfte, trainieren in der Nähe von Kiew (Archivbild).
  • Mitglieder der ukrainischen Territorialen Verteidigungskräfte, einer freiwilligen Militäreinheit der Ukrainischen Streitkräfte, trainieren in der Nähe von Kiew (Archivbild).
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Efrem Lukatsky

Beobachter staunen: Wie tapfere Ukrainer ihr Land weiter eisern verteidigen

Er dachte wohl, es wird schnell erledigt sein: Gerüchten zufolge ist Russlands Präsident Wladimir Putin äußerst verärgert über die Tatsache, dass seine Armee nach mehreren Tagen Beschuss und Kampf immer noch nicht die ukrainische Hauptstadt Kiew einnehmen konnte. Nicht nur dort verteidigen tapfere Bürgerinnen und Bürger ihr Land eisern. Beobachter staunen.

Sobald es dunkel wird in Kiew, bereiten sich die Menschen aufs Schlimmste vor. Die dritte Nacht in Folge wurde die ukrainische Hauptstadt von russischen Streitkräften heftig attackiert – doch sie ist nicht gefallen. Dabei hatte Moskau erst am Samstag eine verstärkte Offensive gegen die Ukraine angekündigt. Gemeldet wurden schwere Angriffe der russischen Armee „aus allen Richtungen“ – sowie „entschlossener Widerstand“, wie es in einer Mitteilung der ukrainischen Armee hieß.

„Ein weiterer Morgen in der Ukraine und Russland kann in Kiew immer noch nicht vorrücken“

Mit Erfolg: „Kiew wird vollständig von der Ukraine kontrolliert“, teilten die Behörden am Sonntagmorgen mit. Oder, wie es der ukrainische Journalist Illia Ponomarenko auf Twitter schrieb: „Es ist ein weiterer Morgen in der Ukraine und Russland kann in Kiew immer noch nicht vorrücken.“

In der Hauptstadt war die ganze Nacht besonders erbittert gekämpft worden. Dabei soll ein Lager mit radioaktiven Abfällen des Unternehmens Radon von russischen Granaten getroffen worden sein, wie der Sender Kanal 24 und andere Medien meldeten. Nach ersten Messungen bestehe „keine Bedrohung für die Bevölkerung außerhalb der Schutzzone“, hieß es. Auch ein Erdöl-Depot nahe der Hauptstadt wurde beschossen, es gab eine riesige Explosion.

In der Nähe der Großstadt Charkiw in der Ostukraine ging nach Darstellung der ukrainischen Agentur Unian eine Gasleitung in Flammen auf. Sie soll von russischen Truppen gesprengt worden sein. Insgesamt aber meldeten die Behörden den schweren russischen Angriff bei Charkiw als abgewehrt. Bei Cherson im Süden sei dagegen russischen Einheiten nach erbitterten Kämpfen ein Vorstoß gelungen.

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All diese Angaben lassen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj, der am Samstag immer wieder Videobotschaften verbreitet hatte, blieb bis Sonntagfrüh in sozialen Medien für einige Stunden still, ebenso Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. Am Samstagabend hatte Klitschko im Nachrichtenkanal Telegram geschrieben: „Die Nacht wird schwierig.“

Ukrainischer Verteidigungsminister: „Seid stark und wehrt Russland ab!“

Unterdessen staunen Beobachter über die Kraft und den Durchhaltewillen der ukrainischen Streitkräfte und Zivilbevölkerung. Die russischen Angreifer sind auf dem Papier sowohl zahlenmäßig als auch mit Blick auf die militärische Ausstattung deutlich überlegen – und können bislang dennoch in Schach gehalten werden.

„Die Welt glaubte nicht daran. Die Welt zweifelte. Aber wir haben nicht nur gestanden, wir kämpfen selbstbewusst weiter gegen die russischen Besatzer! Wir haben es der Welt gezeigt – keine Angst vor Russland“, stellte auch der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow auf Twitter fest. Er teilte dort mehrere Fotos seiner Streitkräfte und verband es mit einem Appell an sie: „Seid stark und wehrt Russland ab! Die Unterstützung der ukrainischen Armee muss stärker sein! Die Sicherheit der Ukrainer hängt von uns ab!“

In einem Beitrag auf Facebook sprach Resnikow zudem von „drei Tagen, die unser Land und die Welt für immer verändert haben“. Er sehe eine „heldenhafte Armee, eine siegreiche Wache, furchtlose Grenzwächter, engagierte Retter, zuverlässige Polizisten, unermüdliche medizinische Engel.“

Auch in diesem Beitrag sprach Resnikow den Verteidigern Mut zu. „Stündlich erkennen immer mehr Menschen, dass es nirgendwo in Europa eine solche Armee gibt.“ Die Ukraine erwarte nunmehr Hilfe, die vor drei Tagen nicht möglich schien. „Die Dunkelheit wird zurückweichen. Die Morgendämmerung ist nahe.“

Zivilisten bauen Molotow-Cocktails und Barrikaden

Dabei kämpft nicht nur die ukrainische Armee ausdauernd: Auch die Zivilbevölkerung ist Teil des erbitterten Widerstands gegen die russischen Angreifer. Überall im Land kamen Bürger:innen dem Aufruf der militärischen Führung nach: „Fällt Bäume, baut Barrikaden, verbrennt Reifen! Nutzt alles, was Ihr zur Hand habt!“, forderte die Armee ihre Landsleute am Samstag auf. Auch der Bau sogenannter Molotow-Cocktails könne helfen.

Medien berichteten anschließend von entsprechenden Szenen in mehreren Städten, darunter zum Beispiel die südukrainische Hafenstadt Odessa.

Die Regierung versorgte ihre Bevölkerung zudem mit Waffen. Rund 25.000 automatische Gewehre sollen bisher schon an Zivilisten verteilt worden sein. An mehreren Ausgabestellen im ganzen Land gab es in den letzten Tagen lange Schlangen. „Die Eindringlinge wollen mein ganzes Land besetzen und alles zerstören, das ich liebe“, schilderte ein junger Programmierer in Kiew Reportern der „New York Times“. „Ich bin nur ein ganz normaler Zivilist und habe mit Krieg oder ähnlichen Sachen nichts zu tun. Aber ich habe keine wirkliche Wahl, denn das hier ist meine Heimat“, begründete er seine Bewaffnung.

Ein Schauspieler ergänzte: Sein Land zu verteidigen sei „besser als zuhause zu sitzen und darauf zu warten, dass du getroffen wirst.“ Eine Managerin erzählte, sie habe „entschieden, bereit zu sein, als sie Explosionen hörte. Ich bin eine erwachsene Frau, ich bin gesund, und das ist meine Verantwortung“.

Ukrainer stoppen Brutalo-Truppe aus Tschetschenien

Wie eisern die Ukrainer ihr Land verteidigen, zeigt auch diese Tatsache: Bei heftigen Kämpfen in der Umgebung von Hostomel haben ukrainische Truppen nach eigener Darstellung eine aus Russland kommende tschetschenische Sondereinheit zerschlagen. Dabei sei auch der Kommandeur, General Magomed Tuschajew, getötet worden, wie ein Gefangener später verraten habe.


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Tschetschenische Kämpfer gelten als besonders skrupellos, brutal und haben in der Vergangenheit bereits Kriegsverbrechen begangen. Hostomel liegt am nordwestlichen Rand der Region Kiew und war zu Beginn des Kriegs Ziel starker russischer Angriffe. Neben dem internationalen Flughafen befindet sich dort auch ein großer Eisenbahnknotenpunkt.

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