„Übergang zu einer Oligarchie“: Joschka Fischer äußert sich zur USA und Trump
Joschka Fischer leidet. Der Prozess, den er als Selbstzerstörung der amerikanischen Demokratie wahrnimmt, frustriert ihn zutiefst. Für den Umgang mit Donald Trump hat der Ex-Minister noch einen Rat.
Die USA sind für den ehemaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer keine vollwertige Demokratie mehr. „Es ist noch eine Demokratie, aber eine Borderline-Demokratie, also eine Demokratie im Übergang zu einer Oligarchie“, sagte der 76 Jahre alte Grünen-Politiker der Nachrichtenagentur dpa in Köln. Er frage sich, warum die Amerikaner nicht selbst sähen, dass sie einen Prozess der Selbstzerstörung begonnen hätten.
Köln: Die USA sind für Joschka Fischer jetzt „Borderline-Demokratie“
Für ihn sei es ausgesprochen schmerzhaft, diesen Prozess zu beobachten, sagte Fischer. Es gehe ihm regelrecht an die Nieren. „Ich bin Jahrgang 48, das heißt, es ist meine Welt, die jetzt gerade zugrunde geht“, sagte der einstige Vizekanzler der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005. Die USA seien bei aller berechtigten Kritik immer der Kern des Westens gewesen, „die Garantiemacht der demokratischen Idee“, die älteste Demokratie.
Fischer sagte, er sei „heilfroh“, dass er kein aktiver Politiker mehr sei und mit Donald Trump verhandeln müsse. Er sei aber davon überzeugt, dass man bei dem US-Präsidenten mit Schmeicheleien nicht weiterkomme. Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Nato-Generalsekretär Mark Rutte waren Trump zuletzt demonstrativ freundschaftlich begegnet und hatten ihn teilweise mit Komplimenten überhäuft. „Ich halte das für Selbstbetrug“, sagte Fischer dazu.
„Trump ist kein Idiot. Er weiß genau, was er tut. Und er weiß auch, ob ihm jemand da unterschwellig etwas verkaufen will.“ Man müsse Trump selbstbewusst gegenübertreten. „Trump denkt in Macht-Kategorien und Ego-Kategorien“, sagte Fischer. „Ihm zu schmeicheln, bezieht sich nur auf die Ego-Kategorien. Das wird nicht aufgehen. Wir Europäer müssen zur Macht werden. Zur militärischen Macht. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich das mal öffentlich sagen würde.“ Es sei aber nun mal so, dass man Leute wie Trump oder den russischen Präsidenten Wladimir Putin nur mit Stärke beeindrucken könne.
Aufrüstung muss europäisch sein, nicht national
Die dringend notwendig gewordene Aufrüstung müsse ein europäisches, kein nationales Projekt werden, mahnte Fischer. „Wir haben keine Perspektive als Deutschland, als Frankreich, als Polen. Dazu sind wir zu klein. Nur gemeinsam werden wir etwas erreichen.“ Damit das gelingen könne, müssten die EU-Mitgliedsstaaten die zuletzt sträflich vernachlässigte europäische Integration wieder in den Vordergrund stellen. „Putin und Trump lassen uns dazu keine Alternative“, so Fischer.
Deutschland spiele dabei eine entscheidende Rolle. Er wünsche sich deshalb, dass die schwarz-rote Bundesregierung – so sie denn zustande komme – Erfolg habe, auch wenn er sie nicht gewählt habe. Er sage das im Interesse Deutschlands, im Interesse Europas: „Es gibt keine Alternative.“
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Fischer stellte in Köln beim Literatur-Festival Lit.Cologne sein neues Buch „Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung“ vor. (dpa/mp)
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