Corona-Inzidenz steigt: Wie schlimm wird es diesmal?
Die Inzidenzen in Deutschland und Hamburg steigen sprunghaft an, immer mehr Impfdurchbrüche werden bekannt und Mediziner warnen: Mit Beginn der kalten Jahreszeit nehme auch die Corona-Pandemie wieder Fahrt auf. Was kommt da auf uns zu, im zweiten Corona-Winter?
Mehr als 19.500 Neuinfektionen an nur einem Tag – gestern schoss die deutschlandweite Sieben-Tage-Inzidenz auf 95,1 und riss damit das erste Mal seit Mai die 90er-Marke. Vor einer Woche lag der Wert noch bei 68,7. „Die 4. Welle wird weitergehen“, twitterte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach prompt, auch das RKI warnte, dass sich der Anstieg der Fallzahlen im Herbst und Winter noch weiter beschleunigen wird.
RKI warnt: Anstieg der Zahlen wird sich weiter beschleunigen
Aktuell werden laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) 1541 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt, damit liegt die Kennziffer für die Klinikeinweisungen nun bei 2,68. Im Vergleich zum Höchststand von 15,5 im vergangenen Winter ist das noch relativ niedrig.
Allerdings warnen Intensivmediziner, dass wegen Personalmangels immer weniger Intensivbetten belegt werden können. Waren zu Beginn des Jahres noch 26.475 Betten als betreibbar gemeldet, sind es jetzt nur noch 22.207 Betten. Besonders besorgniserregend: Wegen der langen Inkubationszeit des Virus ist davon auszugehen, dass sich tatsächlich mehr Menschen mit Corona infiziert haben – schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle in den nächsten Wochen somit zunehmen werden.
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In Ländern mit niedriger Impfquote eskaliert die Lage
In Lettland lag die Inzidenz zuletzt bei über 850. Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Seit Donnerstag ist das Land in einem vierwöchigen Lockdown mit nächtlicher Ausgangssperre. Auch in Rumänien ist die Lage mit einer Inzidenz von 548 dramatisch. Intensivstationen sind hoffnungslos überfüllt, Covid-19-Patienten mussten bereits zur Versorgung nach Ungarn gebracht werden.
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Wichtiger Unterschied zur Lage bei uns: In Rumänien sind nur 34,8 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, in Lettland sind es nur knapp über die Hälfte.
Schützt uns unsere Impfquote ausreichend?
In Deutschland sind mindestens 66,1 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft (Stand: 22.10.). Ein Kontrollverlust wie in Rumänien oder Lettland ist damit unwahrscheinlich. Viele Experten sagen aber: Für eine verlässliche Absicherung des Klinikbetriebs und eine ausreichende Deckelung der Opferzahlen reicht die Quote noch immer nicht.
Zudem mehren sich auch die Nachrichten von Impfdurchbrüchen, bei denen sich Menschen trotz Impfung mit dem Virus identifizieren und sogar krank werden. Dieser Anstieg ist laut RKI aber erwartbar. Immer mehr Menschen sind geimpft. Immer mehr Menschen sind zurzeit dem sich stärker verbreitenden Virus ausgesetzt. Damit steige statistisch automatisch auch die Zahl der Impfdurchbrüche, auch wenn der weit überwiegende Teil der Geimpften dennoch vor schwerer Erkrankung geschützt sei.
Corona: Der Streit um die Booster-Impfungen
Es mehren sich Hinweise, dass der Impfschutz nach rund sechs Monaten nachlässt – und gerade ältere Menschen und andere Risikogruppen wurden in Deutschland zu Beginn der Impfkampagne geimpft. Laut RKI findet der Großteil der Ansteckungen zwar noch in jüngeren Altersgruppen statt, bei denen auch die Impfquote niedriger ist. Es warnte aber auch vor vermehrten Ausbrüchen in medizinischen Einrichtungen und Alten- und Pflegeheimen – und erstmals seit Anfang Mai sei die Sieben-Tage-Inzidenz bei Menschen über 90 wieder auf über 50 gestiegen.
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Bei den Booster-Impfungen kommt Deutschland aber nur schleppend voran: Nur knapp 1,4 Millionen Einwohner haben bisher eine dritte Spritze gegen das Virus bekommen. Auch das könnte die Lage im Herbst und Winter noch belasten.
In Großbritannien – das mit seiner Impfquote von 68 Prozent mit Deutschland vergleichbar ist und dazu eine deutlich höhere Anzahl Gesundeter hat – steigen die Fallzahlen mittlerweile auch wieder rapide. Nachdem die Regierung im Sommer mit dem sogenannten „Freedom Day“ alle Corona-Beschränkungen aufgehoben hatte, fordern britische Mediziner nun die Rückkehr einiger Maßnahmen. Doch das will die Regierung bislang nicht.
Länder-Chefs halten an Regelungen fest
Angesichts dieser Lage ist der Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ zu beenden, auf deren Basis juristisch die Corona-Einschränkungen möglich sind, auf Kritik gestoßen. Gestern haben die Ministerpräsident:innen nach einer Konferenz betont, dass ein rechtssicherer Rahmen für Corona-Maßnahmen in Deutschland weiterhin gegeben sein muss. In der Beschlussvorlage hatten sie zudem erklärt, dass Maßnahmen, wie Maskenpflicht, Abstandhalten, Lüften und die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) für Innenräume bleiben sollen.